Autor Thema: [gelöst]Ukraine - Blickt von Euch noch eine/r durch?  (Gelesen 3712 mal)

Offline WernerMo

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Hallo,

Wenn ich das bei heise lese,
Frag ich mich, was ich davon halten soll und warum mir die anderen ganz was anderes erzählen?
http://www.heise.de/tp/artikel/42/42382/1.html

"Gute Nacht"
Werner
« Letzte Änderung: 14.08.14 - 18:44:29 von WernerMo »
Gruß Werner
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Offline flaite

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Re: Ukraine - Blickt von Euch noch eine/r durch?
« Antwort #1 am: 12.08.14 - 23:11:49 »
Das sind linksradikale Geistes- und Gesellschaftswissenschaftler.
Wenn Du an anti-westliche Informationen interessiert bist, empfehle ich das Neue Deutschland. Die besitzen noch eine gewisse Redlichkeit.
Ist eingentlich normal. In den frühen 30ern hat ein Walter Duranty mal den Pulitzer Preis gewonnen. Für Artikel aus der UdSSR, die mitten in der Hungersnot in der Ukraine und den ersten Säuberungen Stalin abfeierten. Jean Paul Satre erklärte während des "Großen Sprung nach vorn" und der Kulturrevolution Mao zum großen Politiker.

Seit den 70ern ist diese Tradition leiser geworden, aber seit der Finanzkrise, der dümmlichen US-Kriege im Nahen Osten und den kurzzeitigen und inzwischen vergangenen hohen Wachstumsraten einiger südamerikanischer Staaten unter Macho-Typen-Regierung dank extrem hoher Rohstoffpreise sind da einige Dämme gebrochen.
In dem Artikel wird etwa angesprochen, dass Deutsche Parteistiftungen mit ihren Budget von ein paar hunderttausend Euro die Politik ganzer Staaten dominieren... Seit etwa 2012 eins ihrer liebsten Text-Bausteine. Das ist natürlich völlig absurd, zumal die Typen selbst oft hauptsächlich direkt von Unrechtsstaaten für ihre "wissenschaftlichen" Arbeiten finanziert werden, wie etwa El País kürzlich für den Ober-Indignado Pablo Iglesias Turrión nachwies. Weitere Nachweise lieferte Casto Ocando für den US-Ableger der Szene.
Bin regelmässiger Konsument von Iglesias Außenpolitik-Sendung "Fort Apache" auf HispanTV, dem spanischsprachigen Sender der "Islamischen" "Republik" Iran auf youtube. Nach den Aufdeckungen und den immer offensichtlich haarsträubenden Entwicklungen bei den Bolibananos zeigt Iglesias jüngst gewisse Ansätze von Fairness.
Natürlich ist der Berichterstattung westlicher Medien zu politisch problematischen Schwellenländern nicht zu trauen. Korrespondenten sind oft nicht im Land sowie den Konsumenten und Schreibern fehlt oft der mindset, Wissen und Nerven, um sich auf die wirklichen nicht selten auch deprimierenden Ereignisse einzulassen. Wirkliches Einlassen geht auch nicht ohne persönliche Kontakte im Land selbst und intensiver Studien der Medien des Landes selbst.
Die Hütchenspieler-Tricks dieser komischen Heiligen und ihre Entschlossenheit zur anti-westlichen Positionierung sind aber halt auch nicht besser. Es ist halt problematisch, journalistische Suche nach so etwas wie Wahrheit einem ideologischen Kampf unterzuordnen. Befremdlich ist auch die Bereitschaft dieser Linken des 21. Jahrhunderts, hyper-nationalistische Gestalten mit militärischen Hintergrund ganz doll lieb zu haben.    

Grundsätzlich stimmt es, dass westliche Konzerne in Gesellschaften mit schwächer ausgebildeten Zivilgesellschaften eine problematischere Rolle einnehmen können, als sie es bei uns tun. Insbesondere das im Artikel angesprochene Monsanto agiert nicht selten grauenhaft. Das gilt aber auch für lechte und rinke Politiker sowie ideologische Brandstifter. No easy way out.

Die globale Vernetzung bietet Schwellenländern wie Ukraine oder Chile, über das ich hier gerade schreibe, große Chancen der Verbesserung z.T. nicht akzetabler Lebensbedingungen. Das bedingt aber halt auch viel komplexere und riskantere politischer Entscheidungen bei historisch bedingten handycaps in Bezug auf die ethische Reife der Eliten sowie rationaler Entscheidungsfindung der Zivilgesellschaft. A long and winding road.
« Letzte Änderung: 13.08.14 - 00:00:22 von Piti "groovy" yankee »
Ich stimm nicht mit allen überein, aber mit vielen und sowieso unterhaltsam -> https://www.youtube.com/channel/UCr9qCdqXLm2SU0BIs6d_68Q

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Aquí no se respeta ni la ley de la selva.
(Hier respektiert man nicht einmal das Gesetz des Dschungels)

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Offline koehlerbv

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Re: Ukraine - Blickt von Euch noch eine/r durch?
« Antwort #2 am: 14.08.14 - 00:15:38 »
Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich zu dem Thema hier etwas sage (hätte ich eh nicht gesagt, wenn Werner nicht ie Frage gestellt hätte). Nun aber doch.
In dieser Sache lügen alle Seiten (es sind grob gerechnet mindestens drei Parteien, aber eigentlich noch mehr), und auch unsere Medien spielen eine sehr unrühmliche Rolle. Nicht alle natürlich.
Jeder kocht hier sein eigenes Süppchen und verfolgt konträre Ziele.
Wenn man in dieder Gemengelage halbwegs den Überblick behalten möchte, dann muss man sehr viel lesen. Viele Quellen. Und das schliesst aus meiner Sicht objektiv das Thema als "AtNotes-Thema" aus. Es gibt in diesem Konflikt keine Guten, sondern nur ... andere. Ich sage: Verbrecher (Banden, Oligarchen) und Unfähige.
Das einzige, was vermutlich Fakt ist: MH17 ist nicht als Ziel für einen Abschuss ausgesucht worden, diese Tragödie ist ein (vollkommen unentschuldbares) Versehen. Ich bin ehemaliger Reserveoffizier in eben der Waffengattung, die auf jeden Fall für diesen Abschuss verantwortlich ist (was es für mich noch tragischer macht) und daher überzeugt: Es sind trotz der unmöglichen Situation genügend Fakten vorhanden, daß wir erfahren werden, was technisch wirklich passiert ist. Das kann man nicht mehr aus der Welt räumen und daher ist jede voreilige oder dann später auftauchende Verschwörungstheorie fehl am Platz.

Bernhard

PS: Ich habe vor vielen Jahren ein freiwilliges und sehr glückliches "drittes Sonnersemester" an einer Universität in Donzek verbracht. Und meinen 18. Geburtstag dort verbracht. Wenn uns damals jemand gesagt hätte: "In x Jahren wird Eure Stadt von der ukrainischen Armee und mehreren Banden zusammengeschossen." - ich weiss nicht, was wir damals gemacht hätten. Vermutlich die "SpezMedSluschba" angerufen, die normalerweise im gummiverkleideten Transporter Besoffene ins Krankenhaus schafft. Wer dort fliehen konnte, ist jetzt weg (soviel zum Thema "prorussische Separatisten" - mein Favorit für das Dummwort des Jahres 2014). Ich hoffe, auch meine Freunde und Freundinnen von damals mit ihren Familien.

Offline WernerMo

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Re: Ukraine - Blickt von Euch noch eine/r durch?
« Antwort #3 am: 14.08.14 - 18:44:00 »
Hallo Bernhard,

danke, jetzt komme ich mir nicht mehr ganz so komisch vor, weil ich aus das Gefühl hatte, dass es keine "Guten" mehr gibt ..

Damit ist für mich das Thema gelöst, und geschlossen, ich trage das auch oben ein.

Gruß aus Süd-Mittelfranken
Werner
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Offline WernerMo

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Re: [gelöst]Ukraine - Blickt von Euch noch eine/r durch?
« Antwort #4 am: 17.08.14 - 21:39:28 »
Hallo

Bei heise gibt es heute dazu einen interessanten Artikel:

http://www.heise.de/tp/artikel/42/42531/1.html

Guten Abend
Werner
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Offline flaite

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Re: [gelöst]Ukraine - Blickt von Euch noch eine/r durch?
« Antwort #5 am: 20.08.14 - 08:39:07 »
Oh-ha.

Da werd ich aber nun auch ein paar Takte sagen.

Selbstverständlich sind Nachrichten aus Gebieten mit extremer politischer Polarisierung stets höchst problematisch. Dass nun aber - wie in diesem Artikel - nun Rianovosti, Russia Today und Internet Blogs als glaubwürdiger hingestellt werden als die schwierige Arbeit von westlichen Reportern höchst unterschiedlicher Zeitungen wie Spiegel, The Guardian, etc. amüsiert mich. Auch wird verschwiegen, dass die Darstellung der u.a. von mir nun mal gewählten politischen Repräsentanten meines Volkes im russischen Fernsehen nun streckenweise wirklich völlig unakzeptabel ist.

Anders als etwa Jugoslawien im vom Westen letztlich gewonnenen Kalten Krieg, fand die Ukraine nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion keine stabile Position zwischen Russland und EU/NATO. Die Ukraine entwickelte sich ökonomisch praktisch null. Mit ihrem BIP/Kopf wären die heute selbst in Lateinamerika deutlich unter Durchschnitt.
Das schrie praktisch nach einer großen Änderung in der politischen Ausrichtung. Und tatsächlich folgte der Aufstand gegen Janukowitsch dem normalen Muster einer tief in der Gesellschaft verankerten Anstrengung um Wandel: Er ging von den jungen und gut ausgebildeten aus und fand einen breiten Widerhall in der Bevölkerung. Umfragen zeigen, dass sich eine Mehrheit der Ukrainer eine Ausrichtung nach Westen wünscht. Natürlich existieren im Osten des Landes Gebiete, in denen es möglicherweise andere Mehrheiten gibt. Aber so etwas liesse sich mit Abstimmungen regeln, nicht mit einem Bürgerkrieg.   
 
Selbstverständlich handelt es sich bei den nun wirklich nicht selten ultranational-russisch eingestellten Kämpfern in der Ost-Ukraine um Separatisten. Möglicherweise existiert im Osten der Ukraine eine Mehrheit, die sich lieber im Verbund mit Russland sehen. Das liesse sich aber wie gesagt in Abstimmungen unter UN-Kontrolle regeln. Es gibt nun wirklich zahlreiche Hinweise darauf, dass Putin den Separatisten russisches Gebiet als Ruhe- und Ausbildungszone zur Verfügung stellt. Ausserdem liefert Russland mit höchster Wahrscheinlichkeit Waffen. Da haben sich ja schon einige der Separatisten-Führer verplappert. 

Und zu jenem Hilfskonvoi meldeten Russische Medien am Freitag morgen, dass das Rote Kreuz an der Grenze übernehmen würde und davon wisse. Das Rote Kreuz verneinte aber dieses Einverständnis. In seinem vom strongman Putin inszenierten patriotischen Taumel respektiert die russische Propaganda-Maschinerie nicht einmal mehr das Rote Kreuz. Und Telepolis faselt von Genfer Konventionen.

Ins endgültig Groteske gleitet der Artikel spätestens dann ab, wenn er den Konflikt als Strafaktion des Westens gegen die Integrationsbemühungen zwischen den BRIC Staaten darstellt. Diese Herren Sozial- und Geisteswissenschaftler träumen in ihrer Ablehnung gegen Repräsentative Demokratie und Soziale Marktwirtschaft seit Jahren von einer neuen Spaltung der Welt. In der realen Welt hat aber "der Westen" überhaupt nix gegen solche Bemühungen. Brasilien, China und Indien unterhalten sehr enge Verbindungen mit den USA und der EU. Gleichzeitig wächst Handel und Investitionstätigkeit zwischen nicht westlichen Regionen wie Lateinamerika - Asien und Afrika - Asien überproportional. Pikanterweise btw stärker in den Ländern, deren Bevölkerung eben nicht auf die in den letzten Jahren verstärkt auftretende, tragik-komische anti-US Folklore anspringt, namentlich Kolumbien, Peru, Brasilien und Chile.

Nach Jahrhunderten von Kolonialismus/Imperialismus und der daraus folgenden Unterdrückung nicht-europäischer Urbevölkerungen leben wir nun in einer Zeit, in der Geschichte und Kultur dieser Völker stärker respektiert werden, lese ich nun bei Telepolis und ähnlichen Publikationen nichts über die Haltung der Krim-Tataren. Diese vom Russischen Kolonialreich unterworfene Minderheit scheint mit der russischen Übernahme der Krim alles andere als glücklich zu sein.     

In der Auflösung der Sowjetunion gab es in einigen nicht-russischen Sowjetrepubliken in der Phase der Bildung der neuen Staaten insbesondere in Asien geradezu Jagdszenen auf russisch-stämmige Einwohner. Da kann man ein gewisses Bedürfnis zur Verteidigung der Landsleute schon verstehen. Nur ist das halt kein Alleinstellungsmerkmal für die Auflösung des Russischen Kolonialreichs. Ähnliche Phänomene waren halt in der Dekolonialisierung Afrikas in den 1950/60ern und Lateinamerikas in den 1810/20ern ebenfalls zu beobachten.

Weiteres was ich an der von Telepolis an Gläubige verbreitete Linie nicht verstehe ist, dass der oft zitierten geopolitischen Einkreisungsfurcht Russlands viel Platz eingeräumt wird, die Berechtigung der Furcht der baltischen Staaten und Polens vor einem aggressiver auftretenden Russland nicht einmal diskutiert wird. Während ich die Einkreisungsfurcht angesichts von einer die Ostsee, den Pazifik und das Nordpolarmeer einschliessenden Küstenlinie sowie Grenzen mit China, Iran, der Türkei, einigen europäischen Staaten, etc. nun wirklich nicht nachvollziehen kann, sind insbesondere die polnischen und baltischen Erfahrungen mit einer rücksichtslos auftretenden Hegemonialmacht 1939 bis 1941 sowie 1945 bis 1993 doch sehr real.

Des weiteren erscheint mir das gezeichnete Bild von Putin als Restaurator Russlands nüchtern betrachtet als sehr überoptimistisch. Die Zeit von 2002 bis 2014 war gekennzeichnet durch sehr hohe Rohstoffpreise. Dies bedeutete extrem günstige Bedingungen für Länder, die dort halt ihren komparativen Vorteil besitzen. Für eine nachhaltige Entwicklung sollte dies aber von industriellen und bildungspolitischen Fortschritten begleitet werden. Davon sehe ich aber in Russland sehr wenig. Industriell bleibt man nach wie vor weitgehend auf den für die vielen sozialen Probleme dieser Welt völlig nutzlosen Rüstungssektor beschränkt.     

Aus der Lateinamerikanischen Geschichte sind strongmen, die zunächst eine positive Wirkung in Richtung nationaler Einigung und Reform entfalten, ein sehr häufig zu beobachtendes Phänomen. Porfirio Díaz und Juán Perón sind dafür nur zwei Beispiele unter vielen. Ab einen bestimmten Zeitpunkt wird der ihre lange Regierungszeit aber stets zu einer Blockade gegen weitere Entwicklungen. Die Verknöcherung wird durch das Wirken des selbstgeschaffenen Mythos sowie die zunehmende Korrumpierung durch die lange Phase der Machtausübung immer weiter verstärkt. Putin erinnert mich inzwischen sehr stark an dieses Muster. Erdogan übrigens ebenfalls. 
Ich stimm nicht mit allen überein, aber mit vielen und sowieso unterhaltsam -> https://www.youtube.com/channel/UCr9qCdqXLm2SU0BIs6d_68Q

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