Web 2.0 bedeutet für mich die stärkere Eigenverantwortung aller Nutzergruppen bei der Gestaltung von Web-basierter Kommunikation.
Struktur wird bei Wikis und Blogs loser. Anwender können im Wiki den Text selbst gestalten. In guten Blogs hat der Feedback-Kanal der Kommentare eine hohe Bedeutung bei der Richtung des Blogs. Über Widgets können Power-User selbst verschiedene Anwendungen für den eigenen Bedarf integrieren und durch die Integration selbst einen Mehrwert erzeugen. Grundsätzlich gibt es mehr bottom-up Kommunikation.
Es ist also von sich aus mehr ein Marketing/Kommunikation-Ding als ein Technik Ding.
Ajax, Webframeworks, etc. sind für mich erstmal kein Web2.0. Das ist etwas anderes. Technisch.
Ich denke es ist bei diesen Kommunikationsthemen wichtig, permanent und ehrlich den wirklichen Charakter der Kommunikation und ihrer Ergebnisse kritisch zu überprüfen. Starre Regeln, wie: Wenn wir dem User mehr Eigenverantwortung bei der Gestaltung der Strukturen geben, ist das per se besser. Man muß beobachten, welcher wirklicher Mehrwert daraus entsteht. Ein gutes Studien-Material dafür ist die Nutzung von Web2.0 in IBM selbst. Maureen Leeland und andere im IBM-Umfeld propagieren das ja stark. Und der Gegenstand ist aufgrund der Komplexität des Bedarfs der Notes-Community und Lotus Notes selbst, hmmm. komplex.
Teilweise geht das in die betriebswirtschaftliche Organisationslehre, institutional economics, Politischce Wissenschaft und so Zeug. Spielregeln werden aus meiner Sicht nicht zwangsläufig dadurch effizienter, dass sie "demokratischer" sind. Und je mehr teilnehmen, desto besser. Sie müssen der Situation der Kommunikation angemessen sein.
Um am naheliegenden Beispiel Web2.0 in Lotus Notes zu bleiben. Manchmal denke ich, dass IBM mit der großen Wolke Community spricht, es aber effizienter wäre, wenn für bestimmte Themen kleinere diskrete Gruppen mit einer tiefen und kontinuierlichen Kommunikation gebildet werden. Dann hätten ausgewählte Mitglieder der Community mit speziellen Kenntnisse eine tiefere Möglichkeit der Teilnahme an Gestaltung. Im Bundestag werden ja auch die wichtigen Dinge nicht in dem Kuppelbau am südlichen Spree-Ufer verhandelt sondern in Ausschüssen (die wohl oft auch in anderen Räumen dieses Baues tagen).
Diese Überlegungen gelten von alle Arten der stärkeren Partizipation der Nutzer an der Gestaltung der Kommunikation. Ist aber ein bischen ortogonal zu Technik. In Technik möchte ich klare, sich möglichst nicht ändernde Bewertungskriterien meiner Arbeit. Ich präferiere klar definierte Ziele. In der Praxis ist das natürlich so oft schwer zu erreichen. Flexibilität ist oft eine wichtige Nebenbedingung für Projekte. Bei diesen Kommunikationsthemen muß man aber gefasst sein, dass alles über den Haufen geschmissen werden muß, weil das erdachte Kommunikationsmodell doch nicht mit den Realitäten übereinstimmt. Die Motivation der Nutzer zur Partizipation und der Grad der Effizienz der Kommunikation stelle ich mir als etwas sehr volatiles vor. Die zugrundeliegende Physik kann sich sehr schnell ändern.
Gefährlich ist es, andere Projekte auf die eigenen Kommunikationsziele zu übertragen. Wikipedia funktioniert gut, also wird ein Wikipedia-Wiki auch für Vorschläge von Bügern für städtische Investitionsprojekte (Beispiel) eine prima Sache sein.