Autor Thema: Gestaltung barrierefreier Internetangebote  (Gelesen 2403 mal)

Offline m3

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Gestaltung barrierefreier Internetangebote
« am: 22.11.07 - 15:07:35 »
Im Rahmen des ATNotes Treffens in Wien haben wir auch mal über Sinn und Unsinn von barrierearmen Webauftritten gesprochen.

Dieser Tage ist mir eine gute Begründung in die Hände gefallen, die ich Euch nicht vorenthalten möchte (auch wenn sich mir beim Begriff "Internetseiten" der Magen umdreht):

Zitat
Auf EU-Ebene ist die Optimierung der Zugänglichkeit öffentlicher Webseiten und ihrer Inhalte bereits seit den Aktionsplänen eEurope 2002 sowie eEurope 2005 eine zentrale Zielsetzung im IKT-Bereich.
Im Rahmen der Initiative i2010[1] befassen sich die eInclusion Subgroup (sowie die ihr unterstellte ad-hoc group on eAccessibility) und die Inclusive eGovernment ad-hoc Group der eGovernment Subgroup mit der Weiterentwicklung der Zugänglichkeit von Webinhalten.
Die Mitgliedstaaten bekennen sich dazu, dass die Web Content Accessibility Guidelines 1.0 (WCAG) der Web Accessibility Initiative (WAI) des World Wide Web Consortiums (W3C) der anzuwendende Standard betreffend die Barrierefreiheit von Internetseiten ist.
...

+) Barrierefreies Design bringt nur einer Minderheit Vorteile
Europaweit leben ca. 25 Millionen Benutzer, die kognitive, motorische Behinderungen, Hör- oder Sehbehinderungen aufweisen. Viele Personen leben in einem Land, in dem sie nicht aufgewachsen sind und eine Sprache gesprochen wird, welche nicht ihre Muttersprache ist. Prognosen gehen davon aus, dass bis 2020 rund 25% der EU-Bevölkerung über 65 Jahre alt sein und mit altersbedingten Beeinträchtigungen leben werden.
Auf den zweiten Blick zeigt sich somit, dass die "Minderheit" erstaunlich personenstark ist:
* 10% Behinderte Pesonen
* 5% Farbenblinde Personen
* 17% Menschen über 50, davon viele mit optischen und motorischen Einschränkungen
Zusätzlich noch
* 5 bis 10% mobile Nutzer und Nutzer von alternativen Betriebsystemen und Browsern
* 10% Bürger mit nicht-deutscher Muttersprache

Das Fazit daraus ist, dass ca. 30% der Bevölkerung von herkömmlichen Angeboten bisweilen nicht ausreichend Gebrauch machen können. Die barrierefreie Gestaltung eines Webangebots erfordert eine solide Informationsbasis, da ein nicht benutzergerechtes Angebot nicht barrierefrei ist. Entsprechende Verbesserungen an der Struktur, der Benutzerführung und der Informationsklarheit kommen nicht nur Menschen mit Beeinträchtigungen sondern allen Benutzern zugute.

+) Barrierefreies Design ist teurer als herkömmliches Design
Entscheidend für die tatsächlichen Kosten eines Webangebotes ist langfristig betrachtet nicht, ob es sich um barrierefreies Design handelt. Zentrale Bedeutung kommt jedoch der Auswahl des Design- bzw. Autorenwerkzeuges und / oder des Dienstleisters (beauftragte Webagentur) zu, welche einen Webauftritt umsetzt.
Im Rahmen der Auswahl und Beschaffung von Redaktionswerkzeugen bzw. bei der Beauftragung von Webdesign-Leistungen ist es daher entscheidend, in das jeweilige Pflichtenheft neben den erforderlichen Funktionalitäten einen Katalog an Mindestanforderungen zur Barrierefreiheit des Webauftrittes aufzunehmen.
Für die Gestaltung und den Aufbau eines Webangebotes sind die Konzeption und eine durchgängige Seitenstruktur besonders wichtig. Den Grundsatz zu beachten, Design bzw. Layout von Inhalten getrennt zu betrachten, ist entscheidend und hat nachhaltige Wirkung. Ein späteres Redesign, um einen barrierefreien Zugangs zu ermöglichen, verursacht bei Versäumnissen in diesen Bereichen außerordentlich hohe Kosten.
Vorausgesetzt ein Webdesigner ist mit den Richtlinien für barrierefreies Design vertraut, sind diese im Durchschnitt nicht teurer als herkömmliche Designs. Eher das Gegenteil ist der Fall, da durch den Verzicht auf rein graphische Gestaltungselemente (Animationen etc.) barrierefreie Designs sogar günstiger ausfallen. Werden Technologien wie CSS eingesetzt kann der Administrations- und Supportaufwand gesenkt werden.

+) Barrierefreies Design ist langweilig oder sogar hässlich
Diese Aussage ist jedenfalls sehr subjektiv und liegt jeweils im Auge des Betrachters. Dieser Irrtums ist geprägt durch sehr spezielle Services für eine determinierte Zielgruppe: Webangebote, die von blinden Menschen für blinde Menschen erstellt werden, beinhalten in der Regel keine graphischen Elemente, daher sprechen sie sehende Benutzer eher nicht an, was bei derartigen Angeboten auch nie Ziel ist.
Es ist schlicht FALSCH, dass Bilder, Sound oder dynamische Bestandteile einen Webauftritt unzugänglich machen. Generell sind graphische und dekorative Elemente per se kein Ausschließungsgrund für barrierefreies Design. Optisch ansprechende Beispiele sind z.B.:
Amtshelfer HELP.GV.AT
CSSZenGarden
Wien.at
Wienfluss

...

+) Synergieeffekte und Zusatznutzen
Internationale Standards zu Barrierefreiheit8 einzuhalten und konform zu technischen Standard9 zu designen ist kein Selbstzweck! Im Grunde profitieren alle Benutzer von Webangeboten, welche eine optimale Zugänglichkeit (Accessibility) und eine gute Benutzbarkeit (Usability) bieten:

* Google-Resultate
Eine valide Website, die den derzeit gültigen WAI-Kriterien entspricht, kann von Suchmaschinen, wie zum Beispiel Google besser indexiert werden und wird höher gelistet als nicht valide Webseiten.

* Mobile Endgeräte
Eine Website, die einfach linearisiert und auch sehr gut ausschließlich mithilfe der Tastatur navigierbar ist, kann auch leichter mit verschiedenen Endgeräten, auch mit mobilen Geräten wie Handhelds oder PDA genutzt werden.

* Internetanbindung
Eine Website mit guter Struktur unter Einsatz entsprechender logischer HTML-Elemente und Verzicht auf missbräuchliche Verwendung logischer Elemente zu Layoutzwecken -- Beispiel Tabellenlayout -- reduziert oft die Größe der Daten, wovon vor allem BenutzerInnen mit langsamer Internetanbindung profitieren.



[1] ... http://ec.europa.eu/information_society/events/ict_riga_2006/index_en.htm
HTH
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Glombi

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Re: Gestaltung barrierefreier Internetangebote
« Antwort #1 am: 22.11.07 - 15:25:02 »
In diesem Zusammenhang ist mir letztens folgender Artikel über den Weg gelaufen:

http://www.focus.de/digital/internet/google/barrierefreiheit_aid_138603.html

Offline flaite

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Re: Gestaltung barrierefreier Internetangebote
« Antwort #2 am: 24.11.07 - 22:08:03 »
Der Google Podcast (der mit Dick Wall) hatte dazu letztens ein Interview mit einem Praktiker (liefer Link nach).
Ist schon ein bischen ein Sesselpuper, der das geschrieben hat. So Aussagen wie "langfristig erzeugt Barrierefreiheit keine zusätzlichen Kosten" und die Rechnung wie er auf 30% Behinderte i.S.v. Leuten, die physisch nicht in der Lage sind, einen Browser zu bedienen, halte ich für fragwürdig.
In der Sache ist es aber sinnvoll, sich damit zu beschäftigen. Aber es gibt eben höchst verschiedene Ziele für sehr unterschiedliche Webseiten.
Ich stimm nicht mit allen überein, aber mit vielen und sowieso unterhaltsam -> https://www.youtube.com/channel/UCr9qCdqXLm2SU0BIs6d_68Q

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Re: Gestaltung barrierefreier Internetangebote
« Antwort #3 am: 25.11.07 - 10:28:42 »
As Sesselpuper: Ein Beamter ;)

Und bei den Kosten würde ich mich sogar so weit hinauslehnen, dass ich das auf mittelfristig ändern würde.

Die 30% halte ich nicht so weit hergeholt - die "Silver Surfer" der Generation 50+ gehen vermehrt online, wenn man den Medienberichten glauben darf und damit steigt die Zhal jener, die eine Bildschirmlupe, kontrastreichere Farben, etc. brauchen, bzw. die aufgrund eines Tremors udgl. die Maus nicht so zielsicher bewegen können.

Aber die Rechnung per se ist "dodgy", da geb ich Dir recht. ;)
HTH
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Offline WernerMo

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Re: Gestaltung barrierefreier Internetangebote
« Antwort #4 am: 25.11.07 - 14:22:42 »
Hallo Martin, nun hau´ Du auch noch in die gleiche Kerbe:

- die "Silver Surfer" der Generation 50+ gehen vermehrt online, wenn man den Medienberichten glauben darf und damit steigt die Zhal jener, die eine Bildschirmlupe, kontrastreichere Farben, etc. brauchen, bzw. die aufgrund eines Tremors udgl. die Maus nicht so zielsicher bewegen können

Genügt es nicht, dass bei meinem Hausarzt Prospekte ausliegen mit dem Titel: "wie sie auch über 50 noch geistig fit bleiben".

Gruß Werner
ein 50+ er, der seit über 13 Jahren online geht und seit fast zwölf Jahre eine eigene Homepage hat.

Wenn das so weitergeht richtet ihr für uns auch noch eine eigene Kategorie "50+" ein? (dann denke ich - zum ersten mal nach - ob ich meinen Account hier aufgeben soll)
Gruß Werner
  o                                                  o   
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Offline flaite

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Re: Gestaltung barrierefreier Internetangebote
« Antwort #5 am: 27.11.07 - 08:36:33 »
Gebrechen bei Körper und Sinnen beziehen sich aber sicher nicht zu 30% auf die Augen. Bei meinem Vater ist es z.B. die Fähigkeit des Hörens bei einem hohen Nebengeräuschpegel.
Im übrigen gilt für mich der Satz "There is not something like a free lunch". Jedes Requirement verursacht Kosten.
Und "Autorenwerkzeuge" fürs Web sind nun wirklich ein moving target. Unglaublich viele Unternehmen sind da nämlich sehr wechselbereit. Nehmen wir an, dass diese Wechsel letztlich effizient sind, dann erhöht die Erfüllung des nicht-funktionalen Requirements Barrierefreiheit mit hoher Wahrscheinlichkeit die Kosten für einen Wechsel der gesamten Autorenwerkzeuge.
Bei jedem Feature muss Barrierefreiheit mitbedacht werden. Z.B. ist das mit Ajax features nicht unbedingt immer so einfach. Für viele Anwender bringen aber Ajax-Features Vorteile.
Es kommt eben imnsho oft zu Zielkonflikten zwischen unterschiedlichen Requirements. Nicht vorhandene "langfristige Kosten" würde bedeuten, dass die Einführung von Barrierefreiheit irgendwann positive returns on investments für den Einbau neuer Features bringt. Das glaub ich nicht. Es bleibt ein Kostenfaktor, dessen Gewicht aber mit der Zeit abnimmt. Zumindest solange man nicht das gesamte Autorenwerkzeug austauscht.
Ich stimm nicht mit allen überein, aber mit vielen und sowieso unterhaltsam -> https://www.youtube.com/channel/UCr9qCdqXLm2SU0BIs6d_68Q

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