Autor Thema: wirkliche Steuerreform ? Eure Meinung gefragt...  (Gelesen 3152 mal)

Offline dh-paule

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wirkliche Steuerreform ? Eure Meinung gefragt...
« am: 10.07.05 - 00:18:43 »
Hallo zusammen,

vielleicht ist es ja auch naiv was mir heute so in den Sinn kam, aber eventuell kann man daraus auch was machen....

Eine wirkliche Reform der Steuern! Und zwar so das sämtliche Einnahmen steuerfrei sind, die Ausgaben hingegen werden besteuert.

Das könnte so aussehen:

Das Gehalt wird brutto = netto ausgezahlt, keine Lohnsteuer, keine Lohnnebenkosten für den AG.

Steuern zahlt man erst beim Ausgeben des Geldes.

a.) Steuern für Waren: 20%
b.) Steuern für Dienstleistungen: 0%
c.) Steuern für geparktes Geld: 30%

Die Prozentzahlen sind jetzt mal fiktiv und sollen nur die Grundidee verdeutlichen.

Man bekommt sein Geld brutto=netto und hat mehr in der Tasche. Damit kann man mehr einkaufen = mehr Umsatz = mehr Steuereinahmen. "Nebenbei" sorgt ein höherer Verbrauch für mehr Produktion = mehr Arbeit... Das Geld ist in Bewegung und arbeitet!

Kauft man keine Waren, sondern Dienstleistungen so sind diese steuerfrei. Das heisst man kann die Putzfrau oder den Handwerker netto bezahlen, da er ja wiederum durch höhere Verbrauchssteuern sein Geld in den Staatsäckel zahlt. Auch hier wieder der Effekt: Geld ist in Bewegung und es wird für Beschäftigung gesorgt. Für Schwarzarbeit gibt es keinen Grund mehr, da ja direkt keine Steuern anfallen.

Gibt man (über bestimmte Freibeträge hinaus) kein Geld aus, so zahlt man den höchsten Steuersatz für das "parkende" nicht arbeitende Geld auf dem Konto (oder unter dem Kopfkissen)...

Was meint Ihr ?

Die Idee braucht natürlich noch einwenig Feinschliff, aber bevor ich an der Idee weiter herumfeile hätte ich gerne noch euren Rat...

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Offline flaite

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Re: wirkliche Steuerreform ? Eure Meinung gefragt...
« Antwort #1 am: 10.07.05 - 01:21:51 »
völlig neutral intendierte Antwort (wobei natürlich nichts neutral sein kann).
 
"Geparktes Geld", d.h. Ersparnisse sind das Geld, womit Investitionen durchgeführt werden.
Die Unternehmer leihen sich dieses Geld, um in T0 Maschinen und Zeugs zu kaufen, um erst einmal einen Arbeitsplatz einzurichten. Durch das daraus erzielte Einkommen armotisiert sich die Investition der Maschine im Zeitraum T0...Tn.
Auf diesem Planeten gilt:
I == S (sehr wichtige, von Marx bis Milton Friedman völlig unstrittige, einfache und weitgehend unbekannte Formel)
D.h. die Menge der Investitionen für Produktion in der Zukunft ist gleich den Ersparnissen.
Ist auch logisch, wenn man kurz darüber nachdenkt.
Im Grunde genommen sind Ersparnisse Konsum in der Zukunft (intertemporaler Konsum). Es werden heute Mittel gespart. Dh. diese Mittel fliessen nicht in die unmittelbare Befriedigung der Bedürfnisse.
Damit sind sie frei, um Maschinen für die Zukunft zu kaufen, damit man in tn noch mehr konsumieren kann.

Ersparnisse können also nicht als passives, geparktes Geld betrachtet werden. Vielmehr fliesst es über den Kreditmarkt wieder in die Wirtschaft zurück und dadurch werden eben dann Investitionen durchgeführt.
Eine hohe Sparquote ist also nicht etwas grundsätzlich schlechtes.
 
(jetzt kommt das übliche offene Volkswirtschaften-Argument)
In offenen Volkswirtschaften, d.h. ohne Kapitalverkehrskontrollen und so ein Zeug (was nach empirischer Erfahrung nicht funktioniert), werden Sparer dann ihr Geld im Ausland anlegen. D.h. das fliesst dann ausländischen Banken zu. Das ist a) nicht gut für die deutsche Finanzwirtschaft und b) nicht unbedingt gut für Investitionen in Deutschland.
Der Verteilungseffekt (es wird weitgehend eine Steuer für begüterte Leute sein) wird dadurch weggewischt, dass die Sparer eben ihr Geld an der Steuer vorbei ins Ausland schaffen. Wenn wir den Abfluss verbieten, wird das Ausland den eigenen Abfluß auch verbieten.

Mehr Konsum führt ausserdem zu einem Anstieg der Importe. Dh. wenn insgesamt mehr Geld ausgegeben wird, werden auch mehr koreanische Fernseher, chilenischer Kupfer, französischer Wein, indische Software, chinesische HighTech Produkte und und und gekauft. Die freiwerdenden Mittel aus der steuerlichen Entlastung des Faktors Arbeit fliessen also zum Teil in das Ausland. Damit werden die positiven Multiplikatoreffekte z.T. konterkariert. Dies wird noch dadurch verschärft, dass bei plötzlich ansteigender Nachfrage, die Unternehmer höhere Preise verlangen werden (= Inflation). Die Inflation frisst dann für den Geldbeutel der Konsumenten einen Teil der zusätzlichen Mittel wg. Steuererleichterungen weg. 

Sparer kaufen ja Finanztitel, dh. Aktien, Staatsanleihen und so ein Zeug. Damit gehören denen quasi die Firmen. Wenn hier nun die Sparquote sehr gering ist, holen wir uns die für die Investitionen benötigten Ersparnisse aus dem Ausland. Damit gehören dem Ausland aber unsere Firmen. Niedrige Ersparnisse sind seit den 80er Jahren ein Ungleichgewicht der US Volkswirtschaft, dh Amerika gehört immer mehr den Chinesen und Japanern . Also quasi Imperialismus umgekehrt.

Dies nur ein paar Ideen angerissen, um darauf hinzuweisen, dass es nicht so einfach ist.

Die Besteuerung von Warenkäufen ist völlig einkommensunabhängig und trifft somit ärmere Leute relativ stärker als reichere Leute.

Wie gesagt. Das Problem von deinem Vorschlag ist, dass du übersiehst, dass Ersparnisse über den Kreditmarkt wieder in die Wirtschaftskreislauf zurückfliessen. Das Geld liegt eben nicht auf dem Sparkonto, sondern wird bei der Sparkasse von anderen für Kredite für meistens Investitionen nachgefragt. Das Problem sind nicht Ersparnisse an sich, sondern dass plötzlich stark ansteigende Ersparnisse (was ja auf Grund der Renten/demographischen Entwiklung sogar noch rational ist) zu Ungleichgewichten auf den Märkten führt.

Gruß Axel
« Letzte Änderung: 10.07.05 - 03:51:57 von kennwort »
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Re: wirkliche Steuerreform ? Eure Meinung gefragt...
« Antwort #2 am: 10.07.05 - 07:14:12 »
Mehrwertsteuer (oder fachlicher ausgedrückt indirekte Steuer) pur, angereichert durch eine Reichtumssteuer. Warum es nicht funktioniert, dafür hat Axel eben die wichtigsten Faktoren schon aufgezählt. Historisch betrachtet bekommt man den Eindruck, dass Wirtschaft und Staat dann am besten funktionieren, wenn sich direkte Steuern (Einkommen und Vermögen) und indirekte Steuern (alle Konsumsteuern) ungefähr die Waage halten. Da jede Steuer in irgend einer Weise soziale Ungerechtichkeiten enthält, halten sich so auch die Ungerechtigkeiten ein wenig die Waage.
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Re: wirkliche Steuerreform ? Eure Meinung gefragt...
« Antwort #3 am: 10.07.05 - 12:15:52 »
Wer sich ein bischen für ökonomische Themen interessiert, kann ich bestimmte Bücher von Prof. Paul Krugman empfehlen.
Neben gehobenen Lehrbüchern für Studenten und schwerverdaulichen Studien schreibt dieser Mann nämlich auch für die Allgemeinheit gut lesbare Bücher.
Z.B. "The age of diminished expectations" oder wohl auch das neuere "The Return of Depression Economics". Der Mann schreibt diese Bücher nicht trocken aber fundiert.
Leider beschweren sich unsere eigenen Ökonomen zwar dauernd über die Naivität der Bev. bzgl. ökonomischen Themen, schreiben aber auf der anderen Seite auch keine allgemeinverständlichen Bücher, sondern treten allenfalls in aufgeregten Talk Shows auf.

Krugman ist in keiner Weise extrem. Er trat deutlich als fundierter Kritiker vieler Maßnahmen der Bush-Regierung auf.

Axel
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Re: wirkliche Steuerreform ? Eure Meinung gefragt...
« Antwort #4 am: 10.07.05 - 16:25:38 »
mmmh "geparktes Geld" vielleicht habe ich es nicht klar genug ausgedrückt:

Damit meine ich jenes Geld das sich "unter dem Kopfkissen" befindet und nirgends arbeitet. Sobald man Geld für Investitionen ausgibt ist natürlich ein anderer Steuersatz anzusetzen.

Die Idee ist ja das Geld entsprechend der "Nützlichkeit" der Ausgaben zu besteuern, je höher der allgemeine Nutzen, desto geringer die Steuer. Zum Beispiel kann ja auch Geld das ins Ausland fliesst besonders hoch besteuert werden, wogegen wieder die Ausgaben für die Arbeit der Angestellten steuerfrei sind.

Ziel sollte es sein hohe Einkommen wieder in den Kreislauf zu bringen, und auch niedrigen Einkommen den Konsum zu ermöglichen...

Achja, vielleicht ist es wirklich naiv, aber wie sagte schon mein Lieblingsschreiber von Patenten: "Keep it simple" (G.Fischer, Dübelerfinder) Alle achso komplizierten und durchgerechneten Reformen und Studien haben doch nix gebracht, vielleicht sollte mal was einfaches, verständliches und nachvollziehbares her ?
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Re: wirkliche Steuerreform ? Eure Meinung gefragt...
« Antwort #5 am: 10.07.05 - 18:35:00 »
Der Anteil des Geldes, dass in einem Sparstrumpf steckt (also nicht ins Kreditsystem gebracht wird, um dort Zinsen zu erhalten), ist sehr gering und ist ständig gesunken.
Nur fliesst eben ein großer Teil dieses Kapitals heute ins Ausland, da dort offenbar höhere Gewinne (= mehr Zinsen) erzielt werden als hierzulande.
Nun kann man sagen: Wir besteuern das im Ausland investierte Geld.
Das wiederspricht aber wiederum unserem System der freien Marktwirtschaft.
Dieses System ist viel einfacher als ein System, in dem eine Autorität in Form eines Staates befindet, was nun nützlich und was nicht nützlich ist.
Die Entscheidung, wofür Geld eingesetzt wird, wird dort nicht von oben bestimmt, sondern liegt in der Macht des Einzelnen.
Wenn jetzt deutsche Beamten autoritär über die Nützlichkeit von investierten Geld befinden, dann ist das komplizierter als wenn jeder einzelne selbst bestimmt, wo er sein Geld anlegt. Offene Gesellschaften funktionieren unter der Prämisse, dass die Summe der Einzelentscheidungen klüger sind als ein allwissender Staat.
Viele Entwicklungs- und Schwellenländer hatten in den 50er und v.a. 60er Jahren des letzten Jahrhunderts komplizierte Regeln erstellt, die über die "Nützlichkeit" des investierten Geldes befanden. Das hat nicht funktioniert. Länder wie Chile, Brasilien, Indien und in weiten Bereichen China haben sich von solchen Regelsystemen befreit und *danach* ging es aufwärts.

Ausserdem: Wenn wir türstehermässig dem deutschen Kapital sagen, "Du kommst hier nicht raus", dann sagt das Ausland zu deutschen Exporten: "Du kommst hier nicht rein".

Gruß Axel
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Re: wirkliche Steuerreform ? Eure Meinung gefragt...
« Antwort #6 am: 10.07.05 - 19:02:50 »
naja, und was ist dann mit den Beamten die bestimmen wieviel ich von meinem Geld abgeben muss ???

Was ist mit einem Staat der entscheidet das 15-55% des Einkommes "abgegeben" werden müssen ??? Ist es da nicht viel gerechter selbst zu bestimmen wofür ich mein Geld ausgebe, wohlwissend welche Steuern je nach Ausgabe fällig werden.

Nehmen wir den kleinen Mann, zumindest den der einigermassen verdient. Dem werden schon mal pauschal 30% seines Einkommens abgeknöpft, obwohl er z.B. gerne Handwerker beschäftigen würde die ihm dies&das richten. Von geschmälerten Einkommen ist es schwierig. Hätte er brutto=netto und müsste für Arbeitsleistungen keine Steuern zahlen wäre es einfacher einen zweiten zu beschäftigen.

Weg von der EinkommensBesteuerung, hin zur AusgabenBesteuerung. 
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Re: wirkliche Steuerreform ? Eure Meinung gefragt...
« Antwort #7 am: 10.07.05 - 21:11:41 »
Naja. Irgendwoher muss man das Geld ja hernehmen.
"Einfachheit" kann sehr leicht zu einem Schlagwort werden.
Jede Programmierplattform, egal jetzt ob Notes, Springframework, EJB, .NET, Python erzählt mir, dass ihre Lösung die "einfachste" ist. Jeder hat unvollständige Information und man merkt erst im Projekt, wo die Probleme liegen.
- In den Java Projekten von meinem Hauptkunden ist "Das ist von ****** alles vollständig modelliert worden" zu einer Art Running Joke geworden. Das heisst nicht, dass ******* schlechte Arbeit geleistet hätte. Vieles ist sehr gut. Aber es gibt eben völlig natürlich immer mehr oder weniger große Lücken und Fehler.
- Die Leute von '!!!Help!!!' haben ja zur Zeit gewisse Schwierigkeiten mit @SetTargetFrame. Meine das überhaupt nicht zynisch und finde die Art wie damit umgegangen wird echt vorbildlich (nämlich den Dingen wirklich auf den Grund zu gehen).
- Ich fand die vorgefertigten cache-Lösungen im J2EE Bereich immer echt übertrieben und unvollständig, bis ich versucht habe einen cache selber zu bauen und dann festgestellt habe, dass es Gründe gibt, warum die vorhandenen caches so sind wie sie sind. Bevor ich die Komplexität des Themas voll überblickt habe, habe ich aufgrund meiner unvollständigen Information dämliche Entscheidungen getroffen und damit viel Zeit vergeudet.

Ich fände eine Entwicklung hin zu skandinavischen Verhältnissen am besten. Dh:
- tendentiell höhere Steuern auf Konsum als hier  (also wie du).
- relativ starke progressive Komponente in der Einkommenssteuer, d.h. eher hohe Steuersätze für Spitzenverdiener und Besserverdiener. Ganz einfach, weil die tendentiell stärker von der Globalisierung profitieren, während Niedrigverdiener tendentiell eher verlieren.
- kompromissloses Abholzen des Subventionsdschungels. Dh der Staat befindet überhaupt nicht mehr über die "Nützlichkeit" von Investitionen, da das sowieso immer von irgendwelchen Schlaumeiern ausgenutzt wird.
- Für Niedrigverdienende zahlt Staat Teil des Einkommens (sonst gibts nämlich für einen nicht kleinen Teil der Leute hier einfach keinen Job).
- bessere Unterstützung für Familien
- drastische Maßnahmen gegen die Verschwendung von öffentlichen Mitteln v.a. auch durch Gemeinden.
- Dynamisierung des Arbeitsmarkts durch Abbau von Kündingungsschutz, etc.
- Sehr geringe Besteuerung von Unternehmen.
- Stärkere Besteuerungen von Erbschaften.

Gruß Axel
« Letzte Änderung: 10.07.05 - 21:33:43 von kennwort »
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Offline Gandhi

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Re: wirkliche Steuerreform ? Eure Meinung gefragt...
« Antwort #8 am: 10.07.05 - 22:59:06 »
Nun, Deine Idee ist zum einen ganz interessant, vor allem aber EINFACH.
Ich glaube, man könnte in Deutschland schon viel bewegen, wenn man die Steuererklärung VIEL einfacher gestalten würde. Dann ist es vielleicht weniger gerecht - aber na und? Gerechtigkeit über Steuern ist nicht herzustellen. Definitiv ist sie gar nicht erreichbar, allein schon weil jeder einen anderen Begriff hierzu hat.

80% der weltweiten Publikationen zum Thema Steuerrecht kommen angeblich aus Deutschland. Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen. Wer das nicht glaubt rechne einfach mal die Gewerbesteuer für einen 3 Personenbetrieb aus...
Als Freiberufler stand ich jedenfalls immer sehr wacklig beim Unterschreiben der Steuererklärung - da stehen ja doch ein paar Jahre Haft auf dem Spiel - und ob man alles gesetzmäßig gemacht hat weiß man als nicht Steuerexperte sowieso nie. Und das ist eigentlich ein Skandal.

Eine Steuer auf 'totes Kapital' ist allerdings in der Praxis recht schwer durchzusetzen. Kommt dann einmal im Jahr die Steuerfahndung und entfernt 30% des dort gefundenen Geldes?
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Offline TMC

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Re: wirkliche Steuerreform ? Eure Meinung gefragt...
« Antwort #9 am: 10.07.05 - 23:24:56 »
Ich glaube, man könnte in Deutschland schon viel bewegen, wenn man die Steuererklärung VIEL einfacher gestalten würde.

Ich glaube dann käme ein "undokumentierter Bug" zu Tage: plötzlich würden viel mehr Leute eine Steuererklärung abgeben und so Geld fordern, das ihnen auch zusteht, aber womit keiner rechnet. D.h. das müsste unbedingt mit einkalkuliert werden, nach meinen bisherigen Erfahrungen könnte das schlichtweg vergessen werden und die Regierung steht dann mal wieder ratlos da (also wie dieser Smiley :-:) und will deswegen die MwSt erhöhen, da "unvorhergesehene Kosten" dazukamen.

Zu Vereinfachung von Dingen:
Z.B. habe ich mir mal gewünscht, dass es keine Kfz-Steuer mehr gibt, stattdessen wird diese voll auf den Sprit umgeschlagen. D.h. wer viel fährt oder oder mehr verbraucht, der zahlt auch mehr.
Würde aber massiven Nachteil bei grenznahen Tankstellen bedeuten. Noch mehr wie heute schon. Weiter würde dadurch auch ein Umweltsünder verschont werden, auch wenn er trotzdem nur 5 Liter verbraucht (z.B. Golf II Diesel).

Soweit meine erste Meinung dazu  ;)

Matthias
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Offline maxg

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Re: wirkliche Steuerreform ? Eure Meinung gefragt...
« Antwort #10 am: 10.07.05 - 23:58:28 »
Eine wirkliche Reform der Steuern! Und zwar so das sämtliche Einnahmen steuerfrei sind, die Ausgaben hingegen werden besteuert.

Du wohnst nicht zufällig in der Nähe einer Grenze?

Wenn Politiker trotz der weiterhin vorhanden indirekten Steuern über eine Mehrwertsteuer an der 20% Marke plädieren, was meinst wie hoch dann die Steuern in deinem Modell sein müssten?

Ich denke es geht nur über Subventionskürzungen. Es kann doch z.B. nicht sein, dass man den Bau eines Hauses irgendwo in der Pampa gefördert kriegt, dafür Innenstädte "ausbluten" (bis auf München und ein paar andere vielleicht) und der Staat den Leuten dann auch noch Geld dafür zahlt, dass sie mit dem Auto -alleine- zur Arbeit fahren, während daneben ein fast leerer Zug durch die gegend zuckelt.
Oder das Beispiel, welches vorhin bei Christiansen kam, ein Handwerker muss 42% abführen während eine GmbH bei gleichen Leistungen und gleichem Endpreis weniger als die Hälfte dessen abführen muss. Ganz Radikal gesagt: wir brauchen Einheitssteuern ABER sowohl bei den Direkten als auch bei den Indirekten.
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Offline koehlerbv

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Re: wirkliche Steuerreform ? Eure Meinung gefragt...
« Antwort #11 am: 11.07.05 - 00:08:03 »
Ich glaube, wir müssen bei diesem Thema verdammt aufpassen, nicht auf sehr billiges Stammtisch-Niveau abzugleiten. Meines Erachtens sind solche Themen in entsprechenden Foren, die sich nur der Diskussion solcher Themen widmen, viel besser aufgehoben. Was aber nicht heissen will, dass ich mir AtNotes als "politikfreies Forum" wünschen würde.

Ein einfacheres (!) Steuersystem ist sicherlich sehr wünschenswert. Bevor man aber überhaupt darüber diskutiert, muss geklärt werden, welches Gesellschaftssystem wir uns wünschen. An der Solidargemeinschaft würde ich nicht rütteln wollen !

Das bedeutet dann: Wir brauchen eine Summe X, um alle gemeinsam bestimmte Aufgaben zu erfüllen: Gesundheit, Bildung, Alterssicherung, Infrastruktur, Sicherheit, ... - und Nachwuchs ... Und dann erst müsste man schauen, wie man das Geld dafür möglichst gerecht beschafft.

Axel J. und Semeaphoros haben schon auf die vorsichtig ausgleichende  Verteilung von direkten und indirekten Steuern hingewiesen. Gerade bei der "Mehrwert"steuer dürfen üble Nebeneffekte nicht vergessen werden:
- Eine höhere Umsatzsteuer senkt die Kaufkraft.
- 20% dürften bei einer Konzentration auf diese Einnahmequelle niemals ausreichen. Die Skandinavier haben mit 25% diese Grenze sicherlich bereits ausgelotet.
- Ein kleiner Hinweis: Man rechne einmal aus, wieviel pro Kind bei einer Mehrwertsteuererhöhung an Mehrbelastung auf die Familien zukommt, bis die kleinen Erdenbürger, die später einmal unsere Rente aufbringen müssen, selber Geld verdienen. Jede Vereinfachung wird so schon wieder aufgeweicht: Familien müssten auf andere Weise wieder entlastet werden.

Matthias hatte das Thema Auto angeschnitten. Die Kfz-Steuer, die sowieso normalerweise sehr, sehr gering ist (im Vergleich zu vielen anderen Dingen), könnte man sicherlich einfachst auf den Spritpreis umlegen. Können wir aber nicht machen, da dann auch Transitreisende bezahlen müssten. Ergo die Strassenmaut einführen - daran wird sowieso nichts vorbeiführen. Nächstes Problem: Deutschland lenkt diese Einnahmen zum Grossteil in Ressorts um, die mit der Mobilität nichts zu tun haben. Und genau sowas muss endlich aufhören: "Rasen für die Rente", "Rauchen für den Frieden" sind ja keine dummen Witze, sondern bitterer Sarkasmus auf realer Basis.

Wenn man schon beim Vereinfchen ist: Gesundheit ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen. Leistungsträger sind Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte und alle dort Beschäftigten (die dahinterstehende Industrie müssen wir - auch wegen des internationalen Handels wegen - in gewissen Aspekten aussen vor lassen). Warum in aller Welt brauchen wir aber 500 Krankenkassen, die alle dieser einen gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zu dienen haben und die gleiche Klientel bezahlen ? Weg damit (vor allem mit den Privatversicherungen) und dem Beispiel anderer Länder folgen: Krankenversicherung ist ebenso wie Alters-, Pflege- und Arbeitslosenabsicherung gesamtgesellschaftliche Aufgabe und kann nicht vernünftig dem Markt unterworfen werden.

Die Frage ist: Wer wagt die ganzen Schnitte, die erforderlich wären ? Ich sehe momentan keine Kraft, der ich das zutrauen würde. Der Leidensdruck ist offensichtlich noch nicht gross genug.

Bernhard

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Re: wirkliche Steuerreform ? Eure Meinung gefragt...
« Antwort #12 am: 11.07.05 - 00:38:14 »
Naja. Objektiv gesehen, passt die einseitige Ausrichtung nach Gerechtigkeit nicht zur Tradition der Bundesrepublik Deutschland. Viel wichtiger Bestandteil unseres erfolgreichen Systems bildeten ja das Vertrauen auf Marktwirtschaft, Wettbewerb, Eigentumsrechte, Entscheidungsfreiheit für Individuen und Pluralismus.

welches Gesellschaftssystem wir uns wünschen.

Das System, dass den Gründervätern (z.B. Konrad Adenauer und Ludwig Ehrhard) unserer erfolgreichen Republik vorschwebte war: Soziale Marktwirtschaft im Sinne des Ordoliberalismus.   O0
http://bsravensberg.lernnetz.de/smarktwirtschaft.php?group=9
Damit hatte die Bundesrepublik Deutschland großen Erfolg.
Der Staat sorgt zwar für einen gewissen sozialen Ausgleich, grundsätzlich sind aber wirtschaftliche Entscheidungen in der Souveränität der Individuen. Die wissen besser, wie die Mittel eingesetzt werden können als ein autoritärer Staat. Deterministisch festgelegte und zu weit führende "Gerechtigkeitsprinzipien" - hier stimme ich mit Gandhi überein - sind letztlich willkürlich und schränken die Freiheit ein. In gewissen engen Grenzen sorgt der Staat natürlich für eine gewisse Umverteilung.
Zu diesen einfachen Prinzipien der Marktwirtschaft zurückzufinden ist sicher nicht einfach.

Mehrere konkurrierende Krankenkassen sind auch nicht etwas unbedingt schlechtes. Wahlfreiheit für Konsumenten und Konkurrenz waren immer Stützpfeiler für den Erfolg der Bundesrepublik Deutschland. Warum das jetzt alles im Namen der "Gerechtigkeit" zentralistischen und autoritären Vorstellungen geopfert werden muß, ist aus historischer Erfahrung nicht nachzuvollziehen.

Gerechtigkeit als das wichtigste Ziel der Wirtschaftspolitik ist in der Tradition der Bundesrepublik Deutschland eine radikale Vorstellung.
Selbst das Godesberger Programm der SPD von 1959 spricht von
Zitat
Freiheit und Gerechtigkeit bedingen einander.

Ich bitte um emotionale Ruhe und Sachlichkeit.



Gruß Axel

« Letzte Änderung: 11.07.05 - 01:27:46 von kennwort »
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