Ob ITIL, und ja das was ich geschildert habe ist ein Teil von ITIL, immer gut und richtig ist, darüber kann man streiten. Wenn es zu den von dir bei euch geschilderten Zuständen führt, dann würde ich sagen, läuft da etwas mehr als nur ein wenig falsch.
Was ich in letzter Zeit immer wieder feststelle ist, daß mit einer konsequenten Anwendung des ITIL Prozesses, der zunächst einmal von Bürokraten für Bürokraten entwickelt wurde, sehr häufig auch eine, schon beinahe "natürlich" zu nennende, Feindschaft zwischen den einzelnen Prozeßinhabern entsteht. Da steht dann First Level, gegen Second Level, Change- gegen Releasemanagement, Problemmanagement gegen alle anderen. Jeder zerrt aus einer anderen Ecke an den spärlichen verfügbaren Ressourcen. Jeder ist der Meinung das genau sein Teil der Aufgabe gerade höchste Priorität geniesen MUSS. Und meistens ist jeder dieser Prozessinhaber auch noch eine Ressource innerhalb des ganzen Gebildes.
Man betrachte nur einmal das Zusammenspiel zwischen Problem-, Change- und Releasemangement.
- Das ProblemManagement konzentriert sich auf die Lösung von einzelnen Problemen und schlägt Changes vor.
- Das ChangeManagement darf dann diese Changes bewerten und freigeben.
- Das ReleaseManagement bündelt die verschiedenen Changes zu Releases und gibt diese frei.
Wenn das konsequent durchgezogen wird dann dauert das Einbauen einer Änderung eines Prozesses oder die Einbindung einer neuen Anwendung in ein Unternehmensweites Release mit hoher Warscheinlichkeit eher länger, denn das primäre Interesse des Release Management wird es sein so große Releases wie nur eben möglich zu bündeln und sich nicht mit "Micro" Releases rumschlagen zu müssen. Das Problem Management will aber das Problem so schnell wie möglich erledigt haben und das Change Management auch.
Und wenn man das sehr konsequent weiterdenkt, dann stehen Entwickler und Administratoren schon fast grundsätzlich in verschiedenen Ringecken. Die Einen wollen Ihr System am laufen halten, die Anderen neue Änderungen einbauen. Aber diese Diskussion kann man wirklich bis in alle Ewigkeit führen.
Letzten Endes läuft es darauf hinaus, das man entweder einen Prozess hat, den man lebt. Dann lebt man den mit allen Konsequenzen. Oder man hat auf dem Papier einen Prozess und unterläuft den wo es nur eben geht, damit wenigstens ab und zu noch etwas vorwärtsgeht. Oder man hat erst gar keinen Prozess und lebt mit den daraus resultierenden Chaos.
Jede der drei Möglichkeiten kann funktionieren.
- An der ersten reiben sich die Leute die etwas vorwärts bringen wollen. Und über kurz oder lang verliert man diese Leute, weil die nämlich keine Lust auf Bürokratie haben.
- An der zweiten reiben sich die Teilnehmer, wenn es nach Vorschrift geht, und die Vorgesetzten wenn es nicht nach Vorschrift gegangen ist und nicht funktioniert hat.
- An der dritten reiben sich die Vorgesetzten, weil sie nicht durchblicken was gerade los ist, und die externen Firmen die für das Rating der Firma verantwortlich sind.
In Deutschland neigen Organisationen dazu sich schon fast "sklavisch" an solche von außen definierte Regeln zu halten. Mir ist an dieser Stelle die "Hauptsache es funktioniert" Haltung die in anderen Kulturkreisen favoritisiert wird eigentlich lieber.