Meine Meinung: Ohne etwas über die Basics hinausgehende Kenntnisse der englischen Sprache ist man in der IT-Branche (und vielen anderen auch) verloren. Wir haben es durchaus auch mit einem positiven Globalisierungseffekt zu tun - die Leute arbeiten einfach rund um den Globus zusammen auf vielfältige Weise. Auf eine Sprache sollte man sich da einigen, und das ist mit Englisch aus den verschiedensten Gründen nun mal passiert.
Notes / Domino ist eines der besonders ausgeprägten Themen: Der Produkt stammt aus den USA, die Anzahl der wirklichen Fachleute hält sich durchaus in Grenzen - und viele Sprachen verträgt so eine Konstellation nicht. Ich bekomme locker zwei Hände voll netter, kooperativer Kollegen zusammen, die alle andere Sprachen vom Elternhaus her sprechen - irgendwo müssen wir uns ja einigen.
Erfahrungsbericht:
Was Sprachen angeht, hatte ich wirklich Glück. Mein Vater pflegte und pflegt auch heute noch als international renommierter Wissenschaftler (auch hier: Durchaus ein Spezialgebiet) Kontakt zu Kollegen aus aller Welt. Wann immer bei uns zu Hause ausländischer Besuch war und die Situation es erlaubte, nahm er uns Kinder mit dazu - und wir mussten verstehen und reden, wenn wir mit dabei sein wollten.
In der Schule habe ich dann recht fleissig (weil motiviert) Fremdsprachenunterricht konsumiert: Erst Russisch (das war damals für uns 5. Klasse Pflicht), ab der 7. Klasse dann die obligatorische 2. Fremdsprache (Englisch), fakultativ habe ich dann aber parallel auch Französisch belegt. Ab der 9. Klasse (erst da startete damals in der DDR das Gymnasium - was aber wirklich keine dumme Idee war, meine ich) besuchte ich eine "Spezialklasse mit erweitertem Fremdsprachenunterricht" (Russisch, Englisch, Französisch - jeden Tag eine Stunde in jedem Fach, soweit ich mich erinnere. Samstag war auch Schultag, k.A., ob und wieviel Sprachstunden wir da hatten).
Okay, interessiert war ich, aber meine Noten (sowieso nichtssagend in diesem Zusammenhang) waren 2 mit Tendenz zur 3. Zwischen der 11. und 12. Klasse spendierten mir meine Eltern eine Sprachreise, die die Jenaer Universität für Schüler organisierte - an die Universität Donezk (zur Vertiefung der Russischkenntnisse). Lieber hätten sie mich nach London oder Paris geschickt, aber das ging ja nicht. Aber: Diese sechs Wochen waren der Knaller, massenhaft Freunde in Donezk kennengelernt, tolle Dozenten an der Uni - und nach einer Woche ungefähr fiel auch kaum noch ein deutsches Wort unter den deutschen Gasthörern - wir hatten einfach "umgeschaltet" und vor allem gemerkt: Es geht auch problemlos in einer "fremden" Sprache.
Witzige Folge in der 12. Klasse: In Russisch fiel ich zum Halbjahr auf Note 3 ("Köhler, sie haben einen üblen ukrainischen Slang, und ihre Bemühungen um die Grammatik sind sehr verbesserungswürdig !"), und in Englisch hatte ich das ganze Jahr nur noch Einsen (ich habe in der 12. Klasse mein Abi gemacht). In Russisch kam ich dann aber doch noch auf eine 2 ;-)
Okay, Russisch hat mir später noch bei der Armee geholfen ("Köhler, Sie müssen mal wieder übersetzen !"). Nette Erlebnisse ;-) Ich habe längere Zeiten privat in Georgien verbracht - und da konnte niemand ringsherum etwas anderes als seine Muttersprache oder Russisch. Ich bin dort wirklich nicht verhungert
Der Kern war: Mein Vater hat mir durch meine Einbindung in seine kollegialen Kontakte die Möglichkeit gegeben, mich in fremden Sprachen zu probieren. Dadurch war ich sensibilisiert auf die Bedeutung des Fremdsprachenunterrichts in der Schule. Den Durchbruch aber bedeutete der sechswöchige Aufenthalt in Donezk - hier habe ich endgültig gelernt, dass man in einer anderen Sprache auch wirklich reden kann und dafür kein Lehrbuch braucht. Und das man sich versprechen kann, dass das auch klappt mit inkorrekter Grammatik, dass man den Gesprächspartner auch einbeziehen kann in die Siuche nach Wörtern usw. usf. WIE das gewirkt hat, sah man dann witzigerweise zuerst im Englischen - obwohl ich doch sechs Wochen fast nur russisch gesprochen hatte
Jo, und nachgewirkt hat das auch: Mein Französisch reicht heute vielleicht noch für's nicht verhungern beim Nachbarn, aber dafür funktioniert Italienisch heute ebenso. Und da wir jeden August in Dänemark verbringen, dürfte mein Dänisch mittlerweile über den "Nicht-verhungern"-Status hinausgehen.
Langer Rede kurzer Sinn: Ohne Fremdsprachen (in der IT unbedingt Englisch als nationenübergreifende Sprache) geht nichts wesentliches. Und vielleicht sollten "Sprachangsthasen" sich zumindest eine "mainstream novel" im englischen Original 'reinziehen - in der Regel stellt man nach erstaunlich wenigen Seiten fest, dass man das Wörterbuch fast gar nicht mehr braucht, sondern das Buch liest wie jedes andere auch.
Sorry für den langen Erguss, aber Fremdsprachen sind sowas von wichtig ...
Bernhard