Hm, jetzt gehst Du recht in die Tiefe der Historie ..... Rudi Knegt würde jetzt sagen: "Gute Frage! Nächste Frage?"......
Nur soviel: da kommt man auf Deinen Ausgangsgedanken, dass Einzelpersonen die Geschichte nicht wirklich beeinflussen (sondern quasi von der Geschichte als "Werkzeuge" benutzt werden) zurück: Dass es so lange gedauert hat, deutet an, dass es einen Prozess gebraucht hat. Dieser Prozess ist eigentlich schon alt. Das Sowjetsystem ist ein System gewesen, das stark auf Kontrolle bis hinunter zum Individuum funktioniert hat. Ein Teil an der Entwicklung haben die Fortschritte der Technik, in diesem Falle der Kommunikationstechniken gebracht. Da gab es dann plötzlich eine Unmenge an freien, in einem gewissen Sinne "wilden" Kommunikationsmöglichkeiten, die diese Kontrollierbarkeit massiv untergraben hat. Das hat dann das Ueberschwappen ganz stark unterstützt, der Staat sah sich plötzlich einer Masse an informierten "Untertanen" gegenüber. Ich weiss nicht mehr, von wem ich diese These habe, aber es ist ein enorm interessanter Gedankengang. Natürlich hat sich das unterdessen schon wieder etwas geändert, man denke da an Ueberwachungsmöglichkeiten für den Mailverkehr usw., da hat sich die Technik wohl wieder ein wenig zugunsten der Kontrollmöglichkeiten entwickelt. Eines ist jedoch immer noch der Fall: Die schiere Datenmenge verhindert nach wie vor eine wirklich flächendeckende Kontrolle.
Zurück zum Papst: Ich nehme mal an - weiss es aber nicht wirklich - dass die Signalwirkung, die die Wahl in Polen innenpolitisch gehabt hat, auch auf die anderen Ostblockstaaten gewirkt hat. Ich bin eigentlich überzeugt, dass der Papst später seine Unterstützung auch auf andere Länder des Ostblockes aktiv ausgedehnt hat. Darüber hinaus hat das Signal natürlich nicht nur in Polen gewirkt: die katholische Kirche im Osten hatte einen Vertreter aus dem Osten an der Spitze, der die Verhältnisse von innen her kannte und damit mit diesem System umzugehen wusste, das war vorher nicht der Fall. Und so konnte man ihn nicht mehr so sehr "an der Nase herumführen". Kam dazu, dass dadurch natürlich auch das Weltinteresse auf die Kirchen im Osten gerichtet war.
Zeigt übrigens sehr schön, dass eine Papstwahl durchaus eine grosse, politische Komponente aufweisen kann. Ohne diese Konstellation wäre es wahrscheinlich damals kaum möglich gewesen, einen nicht-Italiener (er ist der erste "ausländische" Papst seit langem, wenn nicht sogar überhaupt gewesen) zu wählen. Bei der anstehenden Wahl hat sich das offenbar schon gänzlich geändert, wenn man so sieht, wer alles als Favoriten gehandelt wird. Ein ähnlich politisches Signal - wenn auch nicht so heftig - würde wohl gesetzt werden, wenn der nächste Papst aus Afrika käme.