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Sonstiges => Offtopic => Thema gestartet von: Gandhi am 14.06.05 - 08:17:49

Titel: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Gandhi am 14.06.05 - 08:17:49
von Josef Ackermann aus dem Spiegel

"Wir sind bereit, in allen Märkten, in denen wir schon vertreten sind, und auch in neuen Märkten Banken zu übernehmen, etwa in den potenzialstarken Schwellenländern." Dies schließe "selbstverständlich" Deutschland mit ein.

So. Jetzt sind wir aus Sicht des Schweizers also schon ein Schwellenland.  ??? Schwelle zu was  :-:

Ach ja :  ;)
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Glombi am 14.06.05 - 09:18:56
von Josef Ackermann aus dem Spiegel
So. Jetzt sind wir aus Sicht des Schweizers also schon ein Schwellenland.  ??? Schwelle zu was  :-:
Wir befinden uns wahrscheinlich an der Schwelle zur Zweitklassigkeit, wie soviele (bspw. Politiker) uns einreden wollen.

Andreas
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Marinero Atlántico am 14.06.05 - 10:28:30
Man kann das nicht so global sehen. In bestimmten Bereichen (bestimmte Sektoren des Maschinenbaus, Krötentunnel, Windkrafträder, Vergangenheitsbewältigung) sehe ich uns ziemlich weit vorne.

In anderen Bereichen können wir uns mit vielen Schwellenländern einfach nicht vergleichen, da diese uns hoch überlegen sind. Z.B.
- Effektivität, Realismus und handwerkliche Sauberkeit von wirtschaftspolitischen Maßnahmen.
- Kontrolle über Staatsfinanzen.
- Flexibilität des Arbeitsmarktes
Da sehe ich uns zur Zeit auf einem Niveau mit Ländern wie Rußland, Frankreich, Uganda oder Guatemala. Aber doch noch vor Peru, Bolivien und Albanien.

Deutschland gilt als überbankt, so dass gewisse Zusammenlegungen in diesem Sektor sicher Sinn machen und sowieso im Gange sind (etwa Fusionen von Genossenschaftlichen Banken und Sparkassen).
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Glombi am 14.06.05 - 11:10:14
Wo wir aber einsame Spitze sind, ist unsere Steuergesetzgebung. Das macht uns keiner nach. Ich denke, ab September wird dann alles anders  ;D

Hier ein lustiger Artikel über unsere tolle Gewerbesteuer:
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/mittelstand/0,2828,360252,00.html

Dagegen ist die Relativitätstheorie doch relativ simpel...

Andreas
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: koehlerbv am 14.06.05 - 11:22:01
Zitat
"Wir sind bereit, in allen Märkten, in denen wir schon vertreten sind, und auch in neuen Märkten Banken zu übernehmen, etwa in den potenzialstarken Schwellenländern." Dies schließe "selbstverständlich" Deutschland mit ein.

Das ist aber kein Zitat von Ackermann, sondern des SPIEGEL. Mich mahnt das mal wieder zum vorsichtigen Umgang mit der Presse  ;)

Bernhard
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Glombi am 14.06.05 - 11:37:55
Der Spiegel hat da vom Handelsblatt abgeschrieben.
Hier ist das Interview
http://www.handelsblatt.de/pshb/fn/relhbi/sfn/buildhbi/artpage/0/cn/GoArt!200012,200039,912257/SH/0/depot/0/index.html

Ackermann meint natürlich nicht, dass Deutschland ein Schwellenland ist. Aber so ist das eben immer mit Zitaten.

Andreas
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Gandhi am 14.06.05 - 14:41:14
Zitat
Ich denke, ab September wird dann alles anders
Mir schwant, dass anders nicht besser sein muss... >:D
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Glombi am 14.06.05 - 14:54:06
Nun, es kommt darauf an,...
- ob es im September eine Wahl gibt (ich schätze zu 50% wahrscheinlich)
- ob die CDU/CSU ggf. mit Anhängsel FDP die Mehrheit hat (ich schätze zu 75% wahrscheinlich)
- ob Herr Merz sich mit seinem Bierdeckel durchsetzt (ich schätze zu 1% wahrscheinlich)
- wie groß dann der Bierdeckel ist

Andreas
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Gandhi am 14.06.05 - 15:23:27
In meiner Jugend gab es ein Lokal (eigentlich mehrere), da hatten Stammgäste einen Deckel, dass heißt, man ließ anschreiben und zahlte dann irgendwann (oder auch nicht).

Insofern finde ich generell den Bierdeckel als Metapher problematisch:

Während eine Steuerreform in einer Kneipe ausgemacht wurde, kam ein Deckel bisher unahnbaren Ausmasses zustande. Während nun die breite Masse diesen Deckel abzahlen muss tanzen die üblichen Verdächtigen die Politik eben auf diesem Bierdeckel aus.

Merke:

In einer Kneipe (wo sonst könnte man auf Bierdeckel kommen) macht man keine Steuerpolitik.
Je größer der Deckel, um so höher die Rechnung.
Je größer der Deckel, um so wahrscheinlicher, dass der Wirt beschissen wird.
Je größer der Deckel, um so leichter können die Spezialisten den Wirt auf dem Deckel austanzen (wie man unter Fußballern sagt).

Ich fürchte jedoch, dass wird ein Deckel, der so groß ist, dass man alle in einem Jahr in Deutschland getrunkenen Biere auf einmal draufstellen kann.

Prost!
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Marinero Atlántico am 14.06.05 - 15:58:07
Meine Prognose:
Im September wird es eine Wahl geben.
Es werden immerhin 38% der Bundesbürger den Angstwahlkampf der postmodernistischen konzeptfreien und machtsüchtigen Fischers und Schröders auf den Leim gehen.

Danach hoffe ich, dass die Merkel-Regierung entschlossen einfache und effektive Reformen durchsetzt.
Und dabei möglichst wenig auf das Geschrei der Straße und dem Rumgelaber der Fernsehstudios hört.

Wenn es dagegen so weiter geht wie bisher, wird es immer schlimmer und wir haben irgendwann wirklich eine Staatskrise.
Die permanent völlig aus dem Ruder gelaufene staatliche Neuverschuldung sowie die Arbeitslosenzahlen sind jedenfalls fundamentale Daten, die unsere Gesellschaft auf Dauer nicht aushält.

In 4 Jahren wird es dann deutlich über 50% ein wenig besser gehen als jetzt, so dass eine weiter ideologisierte SPD unter Führung A. Nahle sowieso keine Chance hat.
Die im Grunde völlig unnötige und in anderen Ländern so nicht existierende Partei der Grünen wird leider überleben, so fürchte ich. Sie bedienen weit verbreitete romantische und anti-rationalistische Befindlichkeiten eines Teiles des deutschen Bildungsbürgertums.

Erfolgreiche Reformer agierten entweder in einem Umfeld, wo eine sehr große Mehrheit das vorherige als völligen Scherbenhaufen perzepierten (Deng Ziao Ping 1976, Ronald Reagan 1980). Dies ist hier leider nicht der Fall. 
Oder sie besassen eine starke Bereitschaft gegen die Befindlichkeit der Bevölkerung zu regieren: eine schwedische Regierung um 1994, Hernan Büchi in Chile 1982(wobei diskutieren unter Pinochet eh nicht so angesagt war) und Margaret Thatcher (am Anfang getragen durch den militärischen Erfolg gegen die widerrechtliche Besetzung der Falkland-Inseln durch eine völlig ziellose argentinische Militärregierung, die mit der Besetzung erfolgreich irrationale patriotische Gefühle der eigenen Bevölkerung weckte).

Axel
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Gandhi am 14.06.05 - 16:05:17
Ich persönlich habe weniger Angst, dass Schröder/Fischer erhalten bleiben - die sind wohl bald weg.

Zitat
Danach hoffe ich, dass die Merkel-Regierung entschlossen einfache und effektive Reformen durchsetzt.

Eher Angst habe ich davor, dass bestimmte Kreise in der Union einfache und effektive Reformen verhindern.  Die Oppositionsparteien sind nun mal auch nicht ganz unschuldig am aktuellen Status Quo und haben ihre Reformunfähigkeiten unter Kohl auch schon ausgiebig bewiesen....Die haben genauso verbohrte Verteilungspolitiker und Lobbyisten in ihren Reihen, wie die Regierungsparteien.

Ich hoffe einfach mal auf die Vernunft...
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Marinero Atlántico am 14.06.05 - 16:27:07
Naja. Wir brauchen einfach jemanden (oder eine Gruppe von Leuten), die sich ausserhalb des Ganzen stellen. So wird es jedenfalls immer schlimmer.
Die Angstmacher Schröder/Fischer werden vor "Thatcherismus" warnen.
Die Durchblickprofis aus dem Bausparverein werden zustimmend wissend nicken.
Die Frau hat Memoiren geschrieben. Ich les grad den ersten Teil.
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: pd am 14.06.05 - 16:43:49
Wieso eigentlich Deckel, der ist doch unterm Glas... Deckel vom Tisch?!  :-:

Ich tippe auf folgendes Szenario:

WASG wird der Schnellstarter und Durchbrecher, von 0 auf unglaubliche 15%. Zu Lasten von FDP und Grüne, die fliegen raus, nerven somit nicht mehr mit dem Rumgezicke "Ich will auch mal kucken..."
CDU und SPD kommen jeweils knapp über 30% der eine mehr der andere weniger knapp. Beide wollen keine Koalition mit WASG, wer will schon den Lafontaine oder den Gysi in ein Ministeramt setzen.

Also gibt:... die große Koalition. Und jetzt kann leider nicht mehr der eine den anderen ausbremsen...


Wär doch mal ein Versuch! CDU hats nicht wirklich dolle gemacht und SPD die letzten Jahre nicht besser... Minus mal Minus gibt ja immerhin Plus ;-)


grins, Patrick
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Gandhi am 14.06.05 - 16:53:46
Ich bin ja eigentlich dafür die Monarchie wieder einzuführen. Gab es da nicht neulich so einen Hohenzollernprinzen im Fernsehen, der auf dem Rummelplatz gejobbt hat  ;D ?
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Thomas Schulte am 14.06.05 - 17:14:21
Oder die Notarielle Zielfestlegung für die entsprechende Amtsperiode (nicht mehr als 3 Mio Arbeitslose) mit anschließender öffentlicher Verhandlung am Ende dieser Periode und einem entsprechenden Maßnahmenkatalog bei Erfüllung bzw. Nichterfüllung der abhängig von der Über- bzw. Unterschreitung des entsprechenden Zieles Belohnungen bzw körperliche Strafen nach sich zieht. Von Rest des Lebens auf einer Südseeinsel in Rente, bis hin zu Kopf ab.

Es funktioniert allerdings nur wenn, solange die Amtsperiode dauert, NIEMAND den Regierenden in Ihre Aufgabe reinreden kann/darf.
In der Folge führt das zur Abschaffung des Bundestages, des Bundesrates und der Landtage, Gemeinderäte und aller anderen Laberorganisationen der Demokratie. Mithin zu einer Menge Einsparungen seitens der öffentlichen Hand und damit zu niedrigeren Steuern, was wiederum einen positiven Effekt auf die Wirtschaftsentwicklung hat.
Außerdem müssen die Lobbyisten sich nur noch mit einzelnen Personen beschäftigen was ebenfalls zu Einsparungen bei der Wirtschaft führt die direkt in höhere Gewinne münden die wiederum auch für einen positiven Effekt bei der Wirtschaftentwicklung und beim Steueraufkommen sorgen.

Ha!!!! Stein der Weisen gefunden. Jetzt muss nur noch jemand den Job übernehmen.

 8) Coole (eehh kühle) Grüße von hier

P.S.
Der oben stehende Text ist SATIRE.
(Muss ich jetzt schreiben bevor jemand auf den Gedanken kommt und mich wegen Volksverhetzung verklagt).
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Marinero Atlántico am 14.06.05 - 23:40:11
wieso Satire?
Wenn weiter jede Reform in einem handwerklichen Desaster endet, halte ich das für eine Option.
Wenn unter der Merkel-Regierung sich ebenfalls keine Zukunftsperspektive für weite Bevölkerungsschichten öffnet, stehen uns spannende Zeiten bevor.
Bin zwar kein Demokratie-Freak, halte das aber für die beste Regierungsform. Wenn aber weiter so schnöselig damit umgegangen wird, nicht unbedingt.
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Thomas Schulte am 15.06.05 - 08:40:27
Spannend ist gar kein Ausdruck. Wenn in einer bayerischen Hauptschule in einer Stadt wie Bamberg in den diesjährigen Abschlussklassen von 96 Schülern gerade einmal 28 einen Ausbildungsvertrag haben und der Rest bis zu 80 Bewerbungen verschickt hat auf die nur Absagen gekommen sind, dann kannst du dir ungefähr ausrechnen wo das hinläuft. Wir (die Gesellschaft) desozialisieren gerade eine ganze Generation. Ich freu mich schon darauf wenn dann Jugendbanden im Regierungsbezirk von Berlin marodieren.
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Gandhi am 15.06.05 - 09:13:13
Interessant. Da wird Staat an allen Orten aufgebaut - nur im Bereich Ausbildung nicht.
Meines Wissens ist etwas wie die deusche Lehre im Ausland weitgehend unbekannt. Da gibt es Colleges für quasi alle Berufe - eben auch für Krankenschwestern, Köche etc.

Wenn die Industrie keine Ausbildung mehr leisten kann oder will - dann muss es eben der Staat tun. Die Folgen des Nichtstun sind jedenfalls - wie schon gesagt - fatal. Wenn einer Generation keine Chancen für die Zukunft eingeräumt werden, bin ich doch ganz froh nicht ganz abhängig vom Standort Deutschland zu sein.

Das Verständnis von Ausbildung hat sich schon ein paar mal gewendet. Zunächst musste mal Lehrgeld bezahlt werden, zwischenzeitlich wurde  und wird mehr oder weniger viel Geld dafür bezahlt sich ausbilden zu lassen - scheinbar läuft das jetzt bald wieder auf Lehrgeld hinaus.

Würde mich ja mal interessieren, was die Unternehmen sagen, die nicht mehr ausbilden. Vermutlich, dass es ihnen so schlecht geht, dass sie es sich nicht mehr leisten können. Das sie so wenig Sicherheit in der Zukunft für sich selbst sehen, dass es aus ihrer Sicht keinen Sinn macht. Dass die Lehrlinge, die sie bekommen zu ungebildet sind und somit nicht für die weitere 'Verwendung' taugen.

Da waren sie wieder die 3 Probleme Deutschlands.
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Thomas Schulte am 15.06.05 - 10:35:04
etwas wie die deusche Lehre im Ausland weitgehend unbekannt
Das stimmt so nicht ganz. Die Art der Dualen Ausbildung wie sie bei uns praktiziert wird ist weitgehend unbekannt. Eine Lehre gibt es aber auch in anderen Ländern nur ist sie dort nicht immer so klar definiert. Diese Form der Facharbeiter Ausbildung in Deutschland ist übrigens ein Grund dafür warum es immer noch Firmen gibt die tatsächlich auf den Standort Deutschland setzen. Siehe hier (http://www.heise.de/newsticker/meldung/60630"). Und warum "Made in Gernamy" weltweit immer noch einen sehr guten Ruf hat.

Wenn die Industrie keine Ausbildung mehr leisten kann oder will - dann muss es eben der Staat tun.
Tut er doch. Sogar ganz massiv, nur nützt in diesem Fall der Ruf nach dem Staat nichts, denn wenn diese "Kinder" dann aus den M-Klassen, dem Förderjahr, der nicht Betrieblichen Ausbildung (Wie das heist muss ich glatt noch einmal nachschauen) rauskommen hat sich, außer das sie bis zu drei Jahre älter sind, nichts an ihrer Situation geändert. Im Gegenteil die Wut die sich da aufstaut, weil sie kein Geld haben um sich in unserer tollen Konsumwelt die verlockenden Angebote leisten zu können, ist um einiges gestiegen.

scheinbar läuft das jetzt bald wieder auf Lehrgeld hinaus.
Da haben sich Unternehmen die jetzt darauf spekulieren wollen würden aber gewaltig geschnitten. 
Fakt ist, und das hat ein renommierter Wirtschaftwissenschaftler erst vor kurzen in einem stinklangweiligen (Reden kann der Mann wirklich nicht aber logisch denken) Vortrag, der auf BR-Alpha gesendet wurde, aufgezeigt, das ALLE Unternehmen in Deutschland in den nächsten fünfzehn Jahren in einen erheblich verschärften Wettbewerb um entsprechend ausgebildete Facharbeiter treten werden. Das liegt einfach an der Demographischen Entwicklung und ist durch keine wie auch immer geartete Maßnahme aufzuhalten.
Das heist konkret, das ähnlich wie von 1998 - 2000 in der IT Branche, wohl Kopfprämien gezahlt werden nur damit überhaupt noch jemand für eine Firma arbeitet, oder damit jemand überredet wird zu einer anderen Firma zu wechseln. Da es aber dann mangels Ausbildung durch eben diese Unternehmen keine Facharbeiter mehr geben wird, kann sich jeder vorstellen was das heist.

Würde mich ja mal interessieren, was die Unternehmen sagen, die nicht mehr ausbilden. Vermutlich, dass es ihnen so schlecht geht, dass sie es sich nicht mehr leisten können. Das sie so wenig Sicherheit in der Zukunft für sich selbst sehen, dass es aus ihrer Sicht keinen Sinn macht. Dass die Lehrlinge, die sie bekommen zu ungebildet sind und somit nicht für die weitere 'Verwendung' taugen.
Das ist in der Tat mittlerweile ein Selektionskriterium. So gibt es zum Beispiel heute bereits Anzeigen in denen Auszubildende für Jobs gesucht werden die früher klassische Bereiche für Hauptschüler waren, z.B. KFZ-Mechaniker, in denen ganz klar die M-Klassen Abschlüsse (so eine Art Mittlere Reife der Hauptschule) und der Quali als Nichteinstellungsfaktor genannt werden. nur werden sich genau diese Unternehmen in näherer Zukunft in den Allerwertesten beissen, wenn keine Leute mit den entsprechenden Qualifikationen zur Verfügung stehen. Dumm nur das man die Personen die heute für diese Entscheidungen verantwortlich sind dann nicht belangen kann.

Auch wenn Axel jetzt wieder mit seiner Neokapitalistischen Sicht kommt. Es fehlt ganz einfach am "gesellschaftlichen Verantwortungsbewusstsein" weiter Teile unserer Großindustrie. Da liegt unter anderem der Hase auch im Pfeffer und nicht nur bei einer verkorksten und verfehlten Sozialpolitik der letzten 30 Jahre (sowohl von den SCHWARZEN als auch von den ROTEN), oder bei den Gewerkschaften die mit ihrer Forderung nach Teilhabe der Arbeitnehmer an den Gewinnen die sie mit erwirtschaften in den 70'er und 80'er Jahren einige Male weit über das Ziel hinausgeschossen sind.
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Marinero Atlántico am 15.06.05 - 11:09:13
@Thomas Schulte: Neokapitalistisch? Heisst das nicht Neoliberal? Neokapitalistisch lehne ich ab, weil ich Kapitalist als despektierlichen Begriff ansehe und ausserdem lebe ich persönlich von dem in ziemlich starken Dosen eingesetzten Produktionsfaktor Arbeit, den ich auch ständig durch Weiterbildung pflege.
Neoliberalismus verstehe ich als Begriff nicht. Was hat neo mit in der Praxis gut erprobten Theorien zu tun, die 250 Jahre alt sind?

Und bitte "soziale Verantwortung der Großindustrie"? Der globale Wettbewerb ist für diese Unternehmen echt sehr real. Die müssen selber kämpfen. Momentan sind eben die Kapitalrenditen aller globalen Unternehmen höher als früher, eben weil plötzlich wesentlich mehr weltmarktfähige Arbeitskraft zur Verfügung steht, während sich Kapital langsam akkumuliert.
Es hört sich vielleicht auf dem ersten Blick toll an von wegen neben Gewinn eben noch soziale Verantwortung. Meiner Meinung nach funktioniert aber so die Wirtschaft nicht. Das ist gar nicht ihre Aufgabe. Sie bilden dann Leute aus, wenn sie davon ausgehen, dass die Leute mit diesem Wissen einen Nutzen stiften, der höher ist als die Ausbildungskosten. Wenn sie Leute einfach so aus Freundlichkeit ausbilden, produzieren sie vielleicht zukünftige Arbeitslose.
Die Ergebnisse von Wirtschaftswissenschaftliche Ex ante Studien (Facharbeitermangel in 5 Jahren) treten übrigens in der Realität nicht unbedingt ein. Es gibt immer zu viele Faktoren, die den Verlauf der Wirtschaft bestimmen als das diese Ergebnisse wirklich zuverlässig sind. Schön wärs ja.

In der Fakultät, wo ich ausgebildet wurde, hiess es übrigens: "Solidarprinzip? Das ist wenn die warme Hand des einen in die Tasche des anderen greift." Find ich übrigens auch ein bischen extrem.

 
Wenn die Industrie keine Ausbildung mehr leisten kann oder will - dann muss es eben der Staat tun.
Haben sie doch getan. ABM-Stellen und das war in vielen Bereichen nicht sehr konstruktiv in Hinblick auf Eingliederung in den realen Arbeitsmarkt.
Nur "der" Wirtschaft etwas vorzuwerfen leuchtet mir nicht ein. "Die" Wirtschaft sind ja eine Menge an autonomen Einheiten, die eher konkurrieren als zusammenarbeiten.

Nur immer zu lamentieren, rumdiskutieren und die Probleme benennen bringt eben nix. Es ist Zeit für konkrete Vorschläge. Und die können im Zweifel auch relativ radikal sein.

Deutsche Manager bekommen sind ja zur Zeit im Ausland auch nicht besonders angesehen. Einzelne Leute auf Javaranch, die in Deutschland als Ausländer gearbeitet waren, äußerten sich auch des öfteren stark enttäuscht.
Hauptkritikpunkt: Schnöseltum und Machtgehabe
Das deckt sich mit meinen Erfahrungen mit sicher nicht allen, aber schon einigen Organisationen hier.
Ich hatte zeitweilig das Gefühl, dass die Krise mehr machtorientierte, kompetenzbefreite und simplifizierende Formeln-which-does-not-work verkündende Typen im Management gefördert hat. Aber mittelfristig wohl doch nicht.

Was ich erschreckend finde, ist der Gleichmut mit dem hingenommen wird, dass "sowieso nichts klappt". Das ist nämlich nicht hingenommen. Wenn etwas nicht funktioniert, muß man das eben ständig verbessern und zur Not auch erstmal ein bischen radikal erscheinende Wege gehen. Länder wie Schweden, Dänemark, Japan und die USA schaffen es ja auch irgendwie. Dieses Achselzucken und Lachen find ich jedenfalls völlig fehl am Platz.

Man muß sich auch davon verabschieden, dass jede Maßnahme "gerecht" sein muß. Z.B. hat Ehrhardts Währungsreform massivst Sparguthaben von kleinen Leuten zerstört und bestimmte halbseidende Gestalten konnten in der Zeit in sehr kurzer Zeit ein gewaltiges Vermögen machen.
Wir müssen uns davon verabschieden, zu glauben, dass wir mit diskutieren den perfekten Weg finden. Wirtschaftspolitik ist eben auch ein Entdeckungsverfahren, in dem sowieso immer ständig Fehler gemacht werden.

Axel
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Gandhi am 15.06.05 - 11:11:57
Zitat
Auch wenn Axel jetzt wieder mit seiner Neokapitalistischen Sicht kommt. Es fehlt ganz einfach am "gesellschaftlichen Verantwortungsbewusstsein" weiter Teile unserer Großindustrie.
Und genau ohne Verantwortung funktioniert kein Liberalismus. Im Manchesterkapitalismus - dem tatsächlichen - nicht der diffamierten Variante - ist dieser Teil daher überaschenderweise besonderst stark betont (s. Adam Smith).

Heutezutage findet man derlei Verantwortungsgefühl immer noch vor allem bei den Inhabergeführten Unternehmen, also vor allem dem Mittelstand, der, obwohl er nachweislich DIE Maschine Deutschlands hinsichtlich Arbeitsbeschaffung und Wirtschaftsleistung ist, nach wie vor behandelt wird wie die ungeliebte Stieftochter. Der Mittelstand leidet besonders unter dem bizarren Steuerrecht und der alles zum Stillstand bringenden Verwaltung.
Daher meine Hoffnung: Weg vom Neoliberalismus - hin zum Liberalismus: Freiheit und Verantwortung. Und: keine Verantwortung mehr an den Staat abgeben (wenn das nicht absolut notwendig ist).

Zum Thema Gewerkschaften: Die haben sicherlich ihr Existenzrecht und eine überaus stolze und verdienstvolle Vergangenheit. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass sie sich hin zum Dienstleister für die Betriebsräte entwickeln, diese also beraten und unterstützen. Fatal finde ich, dass die Gewerkschaften noch heute mit 'Lösungen' kommen, die die Realität bereits als falsch bewertet hat.
Weniger arbeiten schafft auf einem Markt, wo einige viel mehr (und somit billiger arbeiten) dort wo weniger gearbeitet wird eben keine Arbeitsplätze. Wie man sowas heute noch behaupten kann ist mir vollkommen unklar.

Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Marinero Atlántico am 15.06.05 - 11:51:02
A. Smith mag ja persönlich ein netter Mann gewesen sein. Seine Bedeutung in der Geschichte war aber die Theorie nach der in der Wirtschaft eine unsichtbare Hand automatisch für die besten Verhältnisse sorgt und das sich der Staat bitte schön herauszuhalten hat.
Empirische Erfahrungen im 19. Jhdt. haben gezeigt, dass eine ziemlich wörtlichen Umsetzung dieser Theorie zu wenig ästhetischen Ergebnissen in bestimmten Bevölkerungskreisen führt.
Neoliberalismus, Liberalismus, etc. sind einfach alles sehr fragwürdige Begriffe mit einer Geschichte.
Neoliberalismus ist im Grunde der alte Liberalismus und ist ein Begriff von Gegnern des "Neoliberalismus". Für liberale gibt es so einen Begriff gar nicht.
Nachdem J. M. Keynes Theorien besagte, dass die unsichtbare Hand unter bestimmten Bedingungen nicht funktioniert und das der Staat sehr wohl eingreifen soll, verdichtete sich ab den 60er Jahre unter den Fahnen des Monetarismus, der Angebotsorientierten Wirtschaftspolitik und sowas wie Public Choice/New Institutional Economics Kritiker am Keynesianismus und Eingriffe des Staates in die Wirtschaft, die wieder die unsichtbare Hand stärker betonten. Diese Leute verstehen sich aber als Liberale und lehnen den Begriff "Neoliberal" ab.

Unzählige empirische Befunde gegen einen zu starken Eingriffs des Staats in die Wirtschaft lieferten Entwicklungsländer (Importsubstitution), Groß Britanien vor Margaret Thatcher und der Ostblock.

Und bitte. Es soll um praktische Politik gehen. Der Staat kann zwar hoffen, dass sich Manager netter zu den Deutschen verhalten. Wirklich steuern können sie es aber nicht. Wir können natürlich die Armee in die Betriebe schicken. Und es sind eben nicht alle Betriebe von Eigentümern geführt. Mit ein bischen weniger Obrigkeitsgeist unter den Angestellten und einer ein bischen kritischer Haltung gegenüber nicht so erfolgreichen Vorgesetzten, kann schon viel erreicht werden.
Hab den bekannten Satz "Der Chef hat aber gesagt" heute wieder gehört.   ;D

Gruß Axel
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: pd am 15.06.05 - 12:12:03
Hm, irgendwo unten hab ich gelesen (oben für die, die standardmäßig sortieren ;-) dass (pauschal zusammengefasst) viele Vorgesetzte in Dtld. im Prinzip mehr für die eigene Profilneurose arbeiten als wirtschaftlich handeln. Das möchte ich auf jedenfall mal unterstreichen. Durch schwaches Management (und/oder Bequemlichkeit, weil Profilneurotiker sind nach oben hin meistens gute A-Kriecher) wird das auch noch unterstützt.

Also die von Axel geforderte (und sicher berechtigte) kritische Haltung ist gar nicht so einfach, schnell landet man auf nem Feuerstuhl, hat aber doch ne Familie zu versorgen. Aber richtig ist auch, einer muss damit anfangen, und der berufliche Nachwuchs, den ich am WoE in der Tanke beobachte ist es sicher nicht... Da kann ich nur auf die Generation danach hoffen. Leider werden bei uns mittlerweile Kiddies ab 12 oder 13 bereits von den 17 18jährigen mit Alkohol versorgt und auf diverse Saufgelage mitgeschleppt. Das bringt mir bei fast jeder Nachtschicht wüste "Handgemenge" ein, weil ich erstens den Kiddies schonmal gar nix gebe (die glauben tatsächlich ich verkaufe denen einfach so ne Flasche Gorbatschow) und den alten, die wir schon identifiziert haben dann eben auch nix. Seh ich doch gar nicht ein! Weis aber gar nicht ob ich den Verkauf überhaupt verweigern darf...


Grüßle, Patrick
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Thomas Schulte am 15.06.05 - 12:16:12
Es hört sich vielleicht auf dem ersten Blick toll an von wegen neben Gewinn eben noch soziale Verantwortung. Meiner Meinung nach funktioniert aber so die Wirtschaft nicht. Das ist gar nicht ihre Aufgabe. Sie bilden dann Leute aus, wenn sie davon ausgehen, dass die Leute mit diesem Wissen einen Nutzen stiften, der höher ist als die Ausbildungskosten.
Fehler in der Denkweise Axel.
Annahme:
- Alle Teilnehmer an einer Volkswirtschaftlichen Teileinheit sitzen in einem Boot.
- Jeder Teilnehmer hat ein Schnitzmesser und ein Stück Holz, jeder hat die freie Wahl welche dieser Ressourcen er benutzt. Er darf aber nur eine Ressource benutzen.
- Ein Teil der Teilnehmer darf in andere Boote wechseln
- Jeder Teilnehmer trägt etwas zu der Steuerbarkeit des Bootes bei

Aussage:
Wenn jetzt nur einer mit dem Messer ein Loch in das Boot bohrt geht dieses spezielle Boot noch nicht unter. macht es ein GERINGER Prozentsatz wird es schwieriger aber die anderen Teilnehmer können ja ihre Holzstücke dazu verwenden die verursachten Löcher zu stopfen. Machen das mehr als 50% geht das Boot unweigerlich unter denn es gibt schlicht und einfach nicht mehr genug Holzbesitzer die ihre Ressourcen zur Verfügung stellen könnten.
Wechselt ein Teilnehmer nachdem er ein Loch geschnitzt hat in ein anderes Boot kann das unter Umständen aufgefangen werden. Tun das viele ohne das aus anderen Booten entsprechende Rückwechsler kommen, ist das Boot nicht mehr zu steuern und geht weil nicht genug Teilnehmer zum Ausschöpfen da sind unter.

(Ich weiss das dieser Vergleich auf beiden Beinen hinkt. Aber was ich sagen will zeigt er deutlich)

Das meine ich mit "Sozialer Verantwortung". Du könntest es auch "Gesellschaftliche Gesamtverantwortung" nennen oder das "ich säg mir nicht den Ast ab auf dem ich sitze" Prinzip. Kapitalgesteuerte Unternehmen denken in Quartalen und treffen Entscheidungen in Quartalen. Ausbildung braucht Zeit. Gute Ausbildung braucht viel Zeit. Gesellschaftliche Entwicklung braucht ebenfalls Zeit. Zeit an die die entsprechende Führungsriege nicht denkt bis es zu spät ist. Anschließend werden genau diese Leute (bzw. deren Nachfolger) die uns jetzt ihre "wir müssen Arbeitsplätze abbauen weil es woanders billiger ist" Tiraden um die Ohren hauen die beklagenswerte Situation das es keine qualifizierten Mitarbeiter mehr gibt in wunderschönen Sonntagsreden, gekoppelt mit Appellen an das Verantwortungsbewusstsein und die Bildungspflicht Ihrer eigenen Arbeitnehmer, vor dem mehr oder weniger geneigten Publikum ausbreiten.

Ergebnisse von Wirtschaftswissenschaftliche Ex ante Studien (Facharbeitermangel in 5 Jahren) treten übrigens in der Realität nicht unbedingt ein
Hier hast du nicht richtig gelesen. Das ist keine Wirtschaftswissenschaftliche Aussage, sondern eine Demographische und die Schlussfolgerung die er gezogen hat ist für jeden der sich die aktelle Bevölkerungspyramide (http://www.geo.de/GEO/kultur_gesellschaft/gesellschaft/2004_04_GEO_demographie_essay/page2.html?linkref=geode_pager") einmal genauer angeschaut hat klar nachvollziehbar. Der Artikel ist übrigens für sich auch sehr lesenswert. So gesehen eliminiert sich unser Arbeitlosenproblem von selbst. Die Volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit allerdings auch.

P.S. das Pdf das am Ende des Artikels hängt hat es auch in sich.
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Marinero Atlántico am 15.06.05 - 12:23:56
viele Vorgesetzte in Dtld. im Prinzip mehr für die eigene Profilneurose arbeiten als wirtschaftlich handeln. Das möchte ich auf jedenfall mal unterstreichen. Durch schwaches Management (und/oder Bequemlichkeit, weil Profilneurotiker sind nach oben hin meistens gute A-Kriecher) wird das auch noch unterstützt.
von unten aber auch. Sitze hier gerade in so einem Gang.  :-:
Es gibt aber auch vernünftige Vorgesetzte. Hier ist leider mehr so Honduras-mässig. ;D
Ein fröhliches Business Lächeln aufsetzen ist mir zu anstrengend. Die haben eh kein Budget für Aufträge zu vergeben. Also: Immer ruhig Blut und auf introvertiert/distanziert/arrogant machen.
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: pd am 15.06.05 - 13:03:10
Hab mir den link zu der Heise-Meldung über AMD (Arbeitsbeschaffungs Maßnahme Dresden ;-) mal durchgelesen. Hat da einer nen Einblick warum das scheinbar läuft und wie das läuft?
Sind die Mitarbeiter unterbezahlt oder haben unmenschliche Bedingungen? Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen...


Gruß und Danke für Aufklärung

Patrick (der sich ein bisschen freut, nur AMD zu nutzen)
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Thomas Schulte am 15.06.05 - 18:13:23
Nachtrag zu meinem letzten Eintrag:
Und wenn sich mal jemand die Bevölkerungspyramide der Schweiz und Österreichs, gekoppelt mit deren wirtschaftlichen Daten anschaut, dann wird klar warum dort immer mehr Arbeitnehmer aus Branchen die bei uns am Stock gehen (Bauindustrie) gesucht werden.
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Gandhi am 15.06.05 - 18:47:10
naive Frage:
Wie sehen die Pyramiden aus?
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Marinero Atlántico am 15.06.05 - 19:07:31
Ich hab eine gewisses distanziertes Verhältnis zu meiner Rolle als Klugscheisser dieses Threads, aber es ist nun mal schlechte Statistik, wenn man komplexe Zusammenhänge an einen Datenpool von 3 Ländern und einem Faktor abhängig macht.
Die statistische Signifikanz solcher Aussagen tendiert gegen Null.
Zu welcher Korrelation zwischen Bev.-entwicklung und Arbeitslosigkeit kommst du, wenn du Dänemark, Schweden, die USA, Irland und die Niederlande hinzunimmst. Vielleicht spielen ja doch andere Faktoren mit eine Rolle.

Axel
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Thomas Schulte am 15.06.05 - 20:24:52
Ich habe nicht behauptet das es zwischen der Bevölkerungsentwicklung und der Arbeitlosigkeit generell einen Zusammenhang gibt. Ich habe nur gesagt, das sich aus dieser Perspektive unser Problem im Lauf der Zeit von alleine erledigen wird. Interpretier nicht wieder etwas in eine Aussage rein was nicht da steht.

Aber Okay Axel vertiefen wir das Thema. Schaun wir mal was ich noch alles ausgraben kann.
Fakt 1. die Bevölkerungsentwicklung ist in ALLEN Industrieländern rückläufig, mit einer Ausnahme, den USA und die haben nur deswegen eine stagnierende Bevölkerung weil sie immer noch erhebliche Migrationsgewinne zu verzeichnen haben. Die strukturellen Probleme die wir hier diskutieren werden also nicht nur wir haben sondern andere auch (Japan, Schweden, Dänemark, Frankreich, Spanien .....)

Und wenn ich noch einen Link zu den Beitrag dieses Professors finde an Poste ich den auch noch.

Fakt 2. Die Bundesrepublik Deutschland ist, auch wenn es wenige zugeben wollen schon lange ein Einwanderungsland. Nur reichen bei uns die Migrationsgewinne nicht aus um den Bevölkerungsverlust zu kompensieren im Gegensatz zu den USA und viele Immigranten landen direkt in der deutschen Sozialhilfe. Belasten damit also unsere Volkswirtschaft unmittelbar.

Fakt 3. Wenn und das ist jetzt eine Annahme, der Industrie-, der Handels- und der Dienstleistungssektor im gleichen Maße produzieren wollen wie bisher (was aufgrund unseres Wachtumsfetischismus notwendig ist), dann ist dazu ein gewisser Prozentsatz an Arbeitnehmern notwendig. Von den überflüssigen trennen sie sich im Moment sowieso alle, also gehen wir mal davon aus, das um das volkswirtschaftliche Produktionsniveau zu halten noch einmal ein Einschnitt von 1 Mio Leuten möglich ist, der durch Produktivitätsgewinne wettgemacht werden kann. Der Arbeitmarkt verliert in den nächsten 15 Jahren aber die Jahrgänge 1940 bis 1955 also circa 15 Mio Leute (minus diejenigen die ohnehin schon in der Dauerarbeitslosigkeit stecken, minus die die dem Arbeitsmarkt sowieso nicht zur Verfügung standen). Dafür wachsen aus dem unteren Bereich ungefähr 7,5 Mio nach. Naja selbst wenn man damit rechnet das nur die Hälfte im Erwerbsleben stand, gleicht der Zuwachs nur unter der Voraussetzung das ALLE Neuzugänge auch in das Erwerbsleben eintreten die Verluste leicht positiv aus. Rechnet man mit der aktuellen Verteilung von ungefähr 60 Erwerbstätigen pro 100 Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter, dann hast du einen Verlust von ca. 3 Mio. Bei einer aktuellen Arbeitslosenzahl von 5 mio + 1 mio dazu und einer reinen Fortschreibung der aktuellen Beschäftigungszahlen hast du dann eine Abnahme der absoluten Arbeitslosenzahlen um 3 Mio.  Schreib das noch einmal 10 Jahre fort und lass die richtig Geburtenstarken Jahrgänge 1956 bis 1965 auch noch abtreten und du bekommst ein Irrsinniges Bild.

In der Folge dieser Entwicklung gibt es mehrere mögliche Auswirkungen.
- Unser Bruttosozialprodukt schrumpft in gleichem Maße weil einfach nicht genug Produzenten da sind -> dann bleibt die Arbeitslosigkeit auf dem gleichen Niveau wie jetzt oder erhöht sich sogar noch
- Der Wettbewerb um die Arbeitnehmer nimmt zu -> die Folgen habe ich bereits beschrieben.
- Die Renten sind nicht sicher (Egal was uns Merkel nach ihrer Wahl oder Stoiber oder Nobby Blüm wieder erzählen werden)

Fakt 4. Die USA fianzieren ihren kompletten Haushalt auf Pump. Es ist nur eine Frage der Zeit und die Finanzwelt sieht das in Teilen genauso, wann diese Blase platzen muss.
Und wenn ich den einen Link zu dem Beitrag dieses Profs finde dann poste ich den auch
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Gandhi am 16.06.05 - 07:52:13
Zitat
Fakt 4. Die USA fianzieren ihren kompletten Haushalt auf Pump. Es ist nur eine Frage der Zeit und die Finanzwelt sieht das in Teilen genauso, wann diese Blase platzen muss.
Stimmt nur temporär - die haben in den 90ern auch mal massiv Schulden durch enorme Haushaltsüberschüsse abgebaut.  Im Gegensatz zu D scheinen die sich - wenn es nötig ist, schnell konsolidieren zu können. In D hat es seit Adenauer (und selbst da bin ich mir nicht sicher) nie Haushaltüberschüsse gegeben
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Thomas Schulte am 16.06.05 - 08:57:57
Hier noch was zur Bevölkerungsentwicklung Bevölkerungsentwicklung (http://www.census.gov/ipc/www/idbsum.html) und zur Fertilitätsrate.
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Marinero Atlántico am 16.06.05 - 10:57:19
Aber Okay Axel vertiefen wir das Thema. Schaun wir mal was ich noch alles ausgraben kann.
Fakt 1. die Bevölkerungsentwicklung ist in ALLEN Industrieländern rückläufig, mit einer Ausnahme, den USA und die haben nur deswegen eine stagnierende Bevölkerung weil sie immer noch erhebliche Migrationsgewinne zu verzeichnen haben. Die strukturellen Probleme die wir hier diskutieren werden also nicht nur wir haben sondern andere auch (Japan, Schweden, Dänemark, Frankreich, Spanien .....)
Bitte ein bischen spezifischer.
Frankreich: wenig Wachstum aber mehr Kinder als hier
Japan: Seit 2001 wieder starkes Wachstum. Wenig Kinder.
Schweden, Dänemark: seit Mitte der 90er nach harten Reformen relativ viel Wachstum.
Spanien: unter der Regierung Aznar die längste Wachstumsperiode der spanischen Geschichte. Arbeitslosigkeit konnte von 20% auf ca. 10% gesenkt werden und sinkt weiter. Wachstum schätzungsweise zur Zeit 2.5 bis 3% wenn nicht höher.

Wo ausserhalb deines Kopfes haben diese Länder bitte "die gleichen strukturellen Probleme".

Zitat
Fakt 2. Die Bundesrepublik Deutschland ist, auch wenn es wenige zugeben wollen schon lange ein Einwanderungsland. Nur reichen bei uns die Migrationsgewinne nicht aus um den Bevölkerungsverlust zu kompensieren im Gegensatz zu den USA und viele Immigranten landen direkt in der deutschen Sozialhilfe. Belasten damit also unsere Volkswirtschaft unmittelbar.
Nicht alle leben von Sozialhilfe. Wie wir gelernt haben, hat die 68er Regierung auch dafür gesorgt, dass Leute immigrieren, der deren Bedarf an Sex & Drugs befriedigt.
Angesichts einer hohen Arbeitslosigkeit oder Unterbeschäftigung von vielen sehr gut ausgebildeten und arbeitswilligen Leuten, halte ich diese Argumentation für zynisch.
Zitat
Stichwort Wachstumsfetischismus
Das sind nun wirklich die absoluten Basics. Aufgrund von Produktionsfortschritten benötigt man jedes Jahr eine geringere Menge an Arbeit, um die gleiche Menge an Gütern herzustellen. Um das Niveau an Arbeit zu halten, muß man also jedes Jahr mehr produzieren. Und das genau ist Wirtschaftswachstum.
Zitat
Von den überflüssigen trennen sie sich im Moment sowieso alle, also gehen wir mal davon aus, das um das volkswirtschaftliche Produktionsniveau zu halten noch einmal ein Einschnitt von 1 Mio Leuten möglich ist, der durch Produktivitätsgewinne wettgemacht werden kann. Der Arbeitmarkt verliert in den nächsten 15 Jahren aber die Jahrgänge 1940 bis 1955 also circa 15 Mio Leute (minus diejenigen die ohnehin schon in der Dauerarbeitslosigkeit stecken, minus die die dem Arbeitsmarkt sowieso nicht zur Verfügung standen). Dafür wachsen aus dem unteren Bereich ungefähr 7,5 Mio nach. Naja selbst wenn man damit rechnet das nur die Hälfte im Erwerbsleben stand, gleicht der Zuwachs nur unter der Voraussetzung das ALLE Neuzugänge auch in das Erwerbsleben eintreten die Verluste leicht positiv aus.
Du unterschätzt ein wenig die Dynamik des Prozesses. In einer globalisierten Wirtschaft können leicht ganze Wirtschaftszweige wegbrechen. Man kann einfach nicht sagen, dass "die überflüssigen weg sind". Ich halte das für eine zynische Beleidigung für die Arbeitslosen in diesem Land. Vielmehr wird ihnen die Chance genommen, berufliche Erfahrung zu sammeln, um den Wert ihrer Arbeit zu steigern.
Zitat
Rechnet man mit der aktuellen Verteilung von ungefähr 60 Erwerbstätigen pro 100 Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter, dann hast du einen Verlust von ca. 3 Mio. Bei einer aktuellen Arbeitslosenzahl von 5 mio + 1 mio dazu und einer reinen Fortschreibung der aktuellen Beschäftigungszahlen hast du dann eine Abnahme der absoluten Arbeitslosenzahlen um 3 Mio. 
Schon wieder eine statische Analyse. Erstens zweifele ich die Zahl von 60% Erwerbstätiger an der Gesamtbev. stark an und zweitens ist dieser Wert in den letzten 20 Jahren deutlich gesunken.
Zitat
Schreib das noch einmal 10 Jahre fort und lass die richtig Geburtenstarken Jahrgänge 1956 bis 1965 auch noch abtreten und du bekommst ein Irrsinniges Bild.
Das ist die Politik des Aussitzens und weiter-so. Ich halte davon überhaupt nichts. Aufgrund realer dynamischer Entwicklungen, können wir uns das einfach nicht leisten.
Zitat
In der Folge dieser Entwicklung gibt es mehrere mögliche Auswirkungen.
- Unser Bruttosozialprodukt schrumpft in gleichem Maße weil einfach nicht genug Produzenten da sind -> dann bleibt die Arbeitslosigkeit auf dem gleichen Niveau wie jetzt oder erhöht sich sogar noch
Was meinst du mit Produzenten? Leute, die den Produktionsfaktor Arbeit bereitstellen? Wenn sich die Anbieter des Produktionsfaktors Arbeit aufgrund der demographischen Entwicklung sinken, dann werden die verbliebenen Anbieter eine für sie günstigere Marktsituation vorfinden.
Zitat
- Der Wettbewerb um die Arbeitnehmer nimmt zu -> die Folgen habe ich bereits beschrieben.
Wenn der Wettbewerb um die Arbeitnehmer angeblich zunimmt, führt dies zu weniger Arbeitslosigkeit. Ich glaub allerdings, dass wir einen globalen Markt haben und da gibt es eben genug Arbeitnehmer.
Zitat
- Die Renten sind nicht sicher (Egal was uns Merkel nach ihrer Wahl oder Stoiber oder Nobby Blüm wieder erzählen werden)
Stimmt. Aber für deine eigenen Probleme scheinst du eine realistischere Sicht zu haben als für die der jungen Generation, deren Probleme sich "von alleine lösen".
Zitat
Fakt 4. Die USA fianzieren ihren kompletten Haushalt auf Pump.
Die USA hatte in den letzten Jahren eine staatliche Neuverschuldung von zwischen 4 und 5%. Die deutsche liegt bei ca. 3.5%. Wie G. schon sehr richtig bemerkt hat, haben die USA gezeigt, dass sie in der Lage sind, das Vorzeichen ihrer staatlichen Haushaltsbilanz prompt umkehren können. Ein Großteil des Haushaltsdefizites wird durch Aktivitäten in Nahost verursacht. Dies kann schneller wieder zurückgefahren werden als Sozialausgaben.
Zitat
Es ist nur eine Frage der Zeit und die Finanzwelt sieht das in Teilen genauso, wann diese Blase platzen muss.
Das mit der Blase ist ein bischen anders. Auf der Konsumseite der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der USA ist nicht der staatliche Konsum, sondern der andere Teil, der private Konsum auffällig. US-Bürger haben eine sehr geringe Sparquote. Dies hat zur Folge, dass private Investoren und der Staat nicht auf inländische Sparmittel zurückgreifen können, sondern auf externe Finanzierung angewiesen sind. Dies wird auch von vornhemlich ostasiatischen Investoren bereitwillig zur Verfügung gestellt. Im Gegenzug akzeptieren die USA einen stark unterbewerteten Yuan und einen ebenfalls unterbewerteten Yen. Dies fördert v.a. die expandierende chinesische Exportwirtschaft und zerstört Arbeitsplätze in den USA.
Der starke Strom von Investitionen aus Ostasien nach den USA führt dazu, dass denen immer mehr Aktiva in den USA gehören. Dafür bekommen die Ostasiaten natürlich in Zukunft Zinsen. Die Amis bekommen also gegenwärtige Mittel für den Konsum und verzichten dagegen auf zukünftige Mittel für den Konsum. Man kann hier also nicht von "Imperialismus" sprechen.

Es gab in den letzten Jahren ein paar mal vorsichtige Ankündigungen von einzelnen asiatischen Staatsvertretern, dass sie sich aus den US-Investitionen zurückziehen möchten. Dies hat zu massiven Turbulenzen auf den Börsen geführt. Und die Asiaten haben sich dann schnell zurückgezogen.

Dieses geschilderte Ungleichgewicht ist natürlich nicht unproblematisch. Gleichzeitig gelingt es der USA aber, eine Gesellschaft zu sein, die starke Produktionssteigerungen erreicht (Brutto Inlands Produkt).

Zitat
Und wenn ich den einen Link zu dem Beitrag dieses Profs finde dann poste ich den auch
Ach. Der schreibt nur aus Karrieregründen. Trust me  ;D (Ironie)
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Thomas Schulte am 16.06.05 - 11:18:35
@axel
Ich gebs generell auf. Du liest was dir passt interpretierst was du willst und gehst auf Aussagen nicht ein.
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Marinero Atlántico am 16.06.05 - 13:17:33
Das ist auch eine Art, um seine Sicht weiterhin für besonders tiefsinnig zu halten.
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Thomas Schulte am 16.06.05 - 13:25:15
 >:(
Man sollte nicht immer von sich auf andere schließen
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Marinero Atlántico am 16.06.05 - 15:29:34
Ich behaupte, dass in einer offenen Volkswirtschaft (offen heisst: viel Export/Import, intern. Kapitalströme) etc. die Korrelation zwischen demographischer Entwicklung und Arbeitslosenzahl nicht besonders hoch ist.
Sie war es einfach nicht. Die geburtenstärksten Jahrgänge sind afaik zwischen 1960 und 1965 geboren und schon längst in den Arbeitsmarkt eingetreten.
Wir haben also abnehmende Zahlen von "Neueinsteigern" in den Arbeitsmarkt.
Trotzdem sind wir in der Zeit des ökologischen Sozialismus in die schlimmste Massenarbeitslosigkeit seit den 30er Jahren geraten.
Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Gandhi am 16.06.05 - 15:47:19
Das mit den offenen und geschlossenen Systemen ist eben genau das Problem, dass ich z.B. mit der gegenwärtigen Gewerkschaftsdebatten habe.
Wenn in einem geschlossenen System das Angebot sinkt (z.B. Arbeitskräfte) wird bei konstanter Nachfrage tatsächlich der Preis von dem Angebotenen steigen bzw. dieses zu einem größeren Prozentsatz angenommen.
Für ein offenes System sieht das schon wieder ganz anders aus: Ist das Angebot zu teuer wandert die Nachfrage ganz einfach in das nächste verbundene System. Und verbunden sind wir z.Zt. mit jedem System - ausgenommen solche Exoten wie Nord-Korea.

Wenn das verstanden wurde kann man nicht mehr ernsthaft mit der aktuellen Demografie antworten oder behaupten kürzere Arbeitszeiten in D brächten auch mehr Erwerbstätige in D. Das ist m.E. eine fatale Fehleinschätzung.

Titel: Re: Mein Zitat des Tages
Beitrag von: Marinero Atlántico am 16.06.05 - 23:08:15
nicht nur mit offenen Systemen, sondern zusätzlich so Sachen, dass in einer alternden Gesellschaft für eine gewisse Zeit weniger Neto-Lohn übrigbleibt, da mehr Transfers an die Rentenkasse überwiesen werden müssen.

Der Grund warum ich so emotional werde bei so Beiträgen wie von Thomas Schulte (nicht persönlich gemeint) ist die Tatsache, dass es in den letzten 30 Jahren immer einen Professor mit einer "kritischen" Studie in der Schublade, die zeigte, dass "sich die Probleme von selber lösen werden".

Axel