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Sonstiges => Offtopic => Thema gestartet von: Don Pasquale am 07.04.05 - 09:03:49

Titel: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Don Pasquale am 07.04.05 - 09:03:49
Hallo Freunde

Ich war ja gerade mal 11 Jahre alt der der verstorbene Papst gewählt wurde und habe da lieber mit Sandburgen gebaut. Und getreu dem Brechtschen(?) Satz Nicht Könige gewinnen Schalchten sondern Soldaten, bin ich der Ansicht dass einzelne Personen selten den Lauf der Geschichte
gestalten.
Es ist unbestritten, dass es die bevölkerung der DDR war, der wir Deutsche die erste gelungene Revolution auf deutschem Boden verdanken. ( Ja, wir Südbadener waren 48 nicht erfolgreich)

Dem verstorbenen Papst wird ein Anteil an der Wiedervereinigung
zugeschrieben. Ist da was dran oder ist das mehr als nett gemeinter Nachruf gemeint ?

Der Papst hat - so habe ich gelesen - die Solidarnosc nicht nur ideell unterstützt sondern auch finanziell, das wusste ich gar nicht.
Das ist wohl der Ausgangspunkt.

Ciao
Don Pasquale

Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Semeaphoros am 07.04.05 - 09:18:42
Da ist eindeutig was dran. Ob er Solidarnosc finanziell unterstützt hat oder nicht, weiss ich nicht. Aber alleine die Tatsache, dass der Papst aus Polen kam, hat der dortigen katholischen Kirche enormen Rückhalt gegeben. Auf einen Schlag waren alle "Scheinwerfer" auf dieses Land gerichtet und man hat die katholische Kirche dort international scharf beobachtet. Keine Chance mehr, für den Staatsapparat, diese mit den "revolutionierenden" Werftarbeitern kooperierende Organisation in grösserem Massstab auszuschalten oder zu neutralisieren. Da hat Woytila schon vor seiner Wahl zum Papst tatkräftig mitgeholfen. Anders gesagt. er war tatsächlich schon seit eh und jeh sehr engagiert und aktiv. Ich vermute mal sogar, dass sein Papsttum ihm mehr Ruhe gegeben hat als vorher.
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Don Pasquale am 07.04.05 - 09:28:37
Gut,
aber das Kriegsrecht - welches scheinbar verhängt wurde um einen Einmarsch der Sowjtarmee zu verhindern - hat doch dem freiheitlichen Gedanken einen Dämpfer versetzt.

Wie sprang der "Gedanke der Freiheit"  oder der Funke der Revolution nun ins Nachbarland und dass mit zehnjähriger Verspätung ?

Ciao
Don Pasquale
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Semeaphoros am 07.04.05 - 09:44:21
Hm, jetzt gehst Du recht in die Tiefe der Historie ..... Rudi Knegt würde jetzt sagen: "Gute Frage! Nächste Frage?"......  ;D


Nur soviel: da kommt man auf Deinen Ausgangsgedanken, dass Einzelpersonen die Geschichte nicht wirklich beeinflussen (sondern quasi von der Geschichte als "Werkzeuge" benutzt werden) zurück: Dass es so lange gedauert hat, deutet an, dass es einen Prozess gebraucht hat. Dieser Prozess ist eigentlich schon alt. Das Sowjetsystem ist ein System gewesen, das stark auf Kontrolle bis hinunter zum Individuum funktioniert hat. Ein Teil an der Entwicklung haben die Fortschritte der Technik, in diesem Falle der Kommunikationstechniken gebracht. Da gab es dann plötzlich eine Unmenge  an freien, in einem gewissen Sinne "wilden" Kommunikationsmöglichkeiten, die diese Kontrollierbarkeit massiv untergraben hat. Das hat dann das Ueberschwappen ganz stark unterstützt, der Staat sah sich plötzlich einer Masse an informierten "Untertanen" gegenüber. Ich weiss nicht mehr, von wem ich diese These habe, aber es ist ein enorm interessanter Gedankengang. Natürlich hat sich das unterdessen schon wieder etwas geändert, man denke da an Ueberwachungsmöglichkeiten für den Mailverkehr usw., da hat sich die Technik wohl wieder ein wenig zugunsten der Kontrollmöglichkeiten entwickelt. Eines ist jedoch immer noch der Fall: Die schiere Datenmenge verhindert nach wie vor eine wirklich flächendeckende Kontrolle.

Zurück zum Papst: Ich nehme mal an - weiss es aber nicht wirklich - dass die Signalwirkung, die die Wahl in Polen innenpolitisch gehabt hat, auch auf die anderen Ostblockstaaten gewirkt hat. Ich bin eigentlich überzeugt, dass der Papst später seine Unterstützung auch auf andere Länder des Ostblockes aktiv ausgedehnt hat. Darüber hinaus hat das Signal natürlich nicht nur in Polen gewirkt: die katholische Kirche im Osten hatte einen Vertreter aus dem Osten an der Spitze, der die Verhältnisse von innen her kannte und damit mit diesem System umzugehen wusste, das war vorher nicht der Fall. Und so konnte man ihn nicht mehr so sehr "an der Nase herumführen". Kam dazu, dass dadurch natürlich auch das Weltinteresse auf die Kirchen im Osten gerichtet war.

Zeigt übrigens sehr schön, dass eine Papstwahl durchaus eine grosse, politische Komponente aufweisen kann. Ohne diese Konstellation wäre es wahrscheinlich damals kaum möglich gewesen, einen nicht-Italiener (er ist der erste "ausländische" Papst seit langem, wenn nicht sogar überhaupt gewesen) zu wählen. Bei der anstehenden Wahl hat sich das offenbar schon gänzlich geändert, wenn man so sieht, wer alles als Favoriten gehandelt wird. Ein ähnlich politisches Signal - wenn auch nicht so heftig - würde wohl gesetzt werden, wenn der nächste Papst aus Afrika käme.
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: dh-paule am 07.04.05 - 09:45:48
mmmh dann versuch ich mich mal mit meinem laienhaften Geschichtsverständnis....

Wie heisst es doch so schön in der aktuellen Werbung einer grossen deutschen Bank "Erfolg ist die Summe richtiger Entscheidungen"

Genauso sehe ich das mit der Wende bei uns. Die Wende war nur möglich aufgrund der Summe vorangegangener Ereignisse....

Hätte Ungarn die Grenzen nicht aufgemacht, wäre die Flucht über die Botschaften nicht möglich gewesen etc... hätte das direkte Ventil für die Bevölkerung im Osten gefehlt. Erst durch diese Möglichkeiten dem Staat den Rücken zu kehren traute sich ein Grossteil der Bevölkerung an den Montagsdemos, am "Widerstand" teilzunehmen.

Und ich bin ehrlich, auch ich wäre nie das Wagnis eingegangen an staatskritischen Veranstaltungen (montagsdemo, neues forum etc) wenn es nicht die Möglichkeit gegeben hätte den zu erwartenden Represalien seitens der Stasi zu entgehen, und sei es eben durch Flucht.

Die Flüchtenden haben denen die dageblieben sind das Gefühl vermittelt, hey hier passiert was, wir müssen etwas tun... die Folge war die friedliche Revolution in deren Anfängen wir sicherlich gaaaanz andere Ziele hatten als die Wiedervereinigung (Übernahme durch die BRD)

Was hat nun der Papst damit zu tun ?

Er hat in einer ersten kristischen Phase des Ostblocks die Augen der Welt auf das revoltierende Polen gelenkt, somit war ein Einmarsch der Russen wie in Prag mit dem Risiko der aufmerksamen Weltöffentlichkeit schwieriger geworden.  Er hat vielleicht einen ersten kleinen Stein zum Rollen gebracht....

Einen viel viel grösseren Anteil hat in meinen Augen M.Gorbatschow mit  "seiner" Perestroika.

Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Glombi am 07.04.05 - 09:45:53
Das ist ein interessantes Thema.
Der Papst hat sicherlich einiges dazu beigetragen. Die entscheidende Person aber war Michail Gorbatschow und auf deutscher Seite Kohl und Genscher.

Zum schnellen Einstieg kann man hier nachlesen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_DDR

Andreas
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Semeaphoros am 07.04.05 - 09:54:02
dh-paule: da kann ich nur zustimmen, vor allem die Summe der Faktoren, genau so war das gemeint mit "Einzelpersonen als Werkzeug der Geschichte". Ohne diese Entwicklung hätte auch Karol Woytila keine Chance gehabt, und richtig ist auch, dass der Papst "Katalysator" der Entwicklung gewesen ist, während Gorbatschow eine echt treibende Kraft gewesen ist. Aber auch er "nur" ein kleines Zahnrad in einer grossen, historischen Entwicklung (ohne damit die Person, die riesige Verdienste errungen hat, abwerten zu wollen - es ist einfach so, dass, wie Don gesagt hat, die Geschichte nicht durch Einzelpersonen wirklich beeinflusst wird).
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Gandhi am 07.04.05 - 09:57:52
Interessant in diesem Zusammenhang ist die Aussage Gorbatschows, dass er ohne das Engagement des Papstes weder zu Glasnost noch zu Perestroika gekommen wäre. Der muss es ja eigentlich wissen.

Ansonsten überrascht mich die jetzt aufkommende/auflebende Popularität des Papstes enorm. Für mich war der immer nur der ewig gestrige Moralapostel mit falschen Werten. Da muss ich mich doch wohl mal schlau machen, was der Rest der Welt so toll an dem fand....
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Don Pasquale am 07.04.05 - 10:01:19
Hm, jetzt gehst Du recht in die Tiefe der Historie ..... Rudi Knegt würde jetzt sagen: "Gute Frage! Nächste Frage?"......  ;D

Hömma, wenn ich ein Faß aufmache, dann richtig. :-)

Nene, es gab sogar schon mal einen deutschen Papst, ist aber sicher auch schon wieder 500 jahre her.

Welche neuen Kommunikationsmittel meintest Du, selbt ich als early Adopter hatte erst seit 1993 E-Mail.

Übertrieben gefragt: Bestand das Verdienst des Papstes also nur darin, dass er Pole war ?  ( Ratzinger "soll" die Wahl von Karol Wojtila zum Papst entschieden vorangetrieben haben, er darf sich also was von Kuchen abschneiden. )

Was Kohl angeht, da habe ich gerade letzte Woche ein Büchlein gelesen von einem seiner ehemaligen Mitarbeitern ( Prys oder so)
der die Ansicht vertritt, Kohl wollte bis 1989 die Einheit gar nicht, weil er vermutetein einem wiedervereinigten Deutschland nicht wiedergewählt zu werden.
Kohl habe nur noch rechtzeitig umgeschwenkt.

Zitat
es ist einfach so, dass, wie Don gesagt hat, die Geschichte nicht durch Einzelpersonen wirklich beeinflusst wird).
Dieser Gedanke ist nicht auf meinem Mist gewachsen, so groß leuchtet mein Licht nicht.  :)

@dh-paule:
Gorbi ? Einverstanden, aber das ist ja einfach zu belegen. Ich wollte schon eine was schwierigeres.

Ciao
Don Pasquale


Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: dh-paule am 07.04.05 - 10:13:25
SORRY wenn ich jetzt einigen evtl. auf den Schlips trete, aber Kohl hat mit der WENDE im Osten garnichts, aber auch wirklich überhaupt nichts zu tun !

Erst als der Osten friedlich umgekrempelt war kamen die ersten (meiner Meinung nach ferngesteuerten) Rufe nach der Wiedervereinigung. Erst da kam Kohl auf den Plan und besuchte den Osten, "verschenkte" das Westgeld und war sicherlich die treibende Kraft der Wiedervereinigung, aber keinesfalls aktiv an der Wende beteiligt.

Die Wende kam aus dem Osten, kam aus der Bevölkerung und hatte ursprünglich das Ziel den Staat umzukrempeln, eine bessere Alternative zu entwickeln. Der Anschluss an den Westen ist dabei nicht unbedingt einen gesellschaftlich bessere Alternative, wirtschaftlich und persönlich schon, aber nicht gesellschaftlich. Oder will einer behaupten das der Kapitalismus/Imperialismus wirklich das Gelbe vom Ei ist ?

Ach... ich will jetzt nicht abschweifen, aber dem Papst billige ich auf jeden Fall seinen Anteil an den gesellschaftlichen Veränderungen im Ostblock zu.
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Don Pasquale am 07.04.05 - 10:34:30
SORRY wenn ich jetzt einigen evtl. auf den Schlips trete, aber Kohl hat mit der WENDE im Osten garnichts, aber auch wirklich überhaupt nichts zu tun !

Das tust Du nicht, denn niemand hat behauptet Kohl hätte etwas mit der Wende im Osten zu tun, aber es ging ja um die Wiedervereinigung und ich will den Satz mal andersrum formulieren: Hätte Kohl bei komplett ungeschicktem agieren die Wiedervereinigung verhindern können ? Falls ja, war sein Anteil ja auch größer Null.

@ghandi
Wenn die Leute sterben, kann manchmal ein hype einsetzen, un dieser Papst ist ja lang gestorben. Erinnere man sich an Lady Diana, irgendwer hat die sogar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.


back to topic ?

Ciao
Don Pasquale
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: diali am 07.04.05 - 10:53:29
aus meiner Sicht hatte die damalige Regierung der BRD schon mit der Wiedervereinigung zu tun, denn ohne die Möglichkeit über die Botschaften von Prag oder die "offene Grenze" Ungarn - Österreich in die BRD zu flüchten, wäre es nicht gegangen.

Falls der Past direkt etwas damit zu tun hat, hat er sich sehr im Hintergrund gehalten, denn dem Staat war die Kirche eher ein Dorn im Auge und meist nicht schlecht von Stasi-Mittarbeitern besucht. Der Besuchshäufigkeit der Stasi-Mitarbeiter in den Kirchen hat in den Protestzeiten (1989) eher zugenommen. Und ich glaube nicht, dass diese Leute zum Singen dorthin gegangen sind.

Eventuell hat der Papst die Kirche durch kircheninterne Kanäle unterstützt - ist aber nur eine Vermutung.

Meiner Meinung nach ist der Hauptauslöser:
- die Grenzöffnung Ungarn-Österreich,
- die Botschaft in Prag,
- Gorbi,
- und die Montagsdemo
und zwar in der Reihenfolge
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: dh-paule am 07.04.05 - 11:22:45
aus meiner Sicht hatte die damalige Regierung der BRD schon mit der Wiedervereinigung zu tun, denn ohne die Möglichkeit über die Botschaften von Prag oder die "offene Grenze" Ungarn - Österreich in die BRD zu flüchten, wäre es nicht gegangen.

Falls der Past direkt etwas damit zu tun hat, hat er sich sehr im Hintergrund gehalten, denn dem Staat war die Kirche eher ein Dorn im Auge und meist nicht schlecht von Stasi-Mittarbeitern besucht. Der Besuchshäufigkeit der Stasi-Mitarbeiter in den Kirchen hat in den Protestzeiten (1989) eher zugenommen. Und ich glaube nicht, dass diese Leute zum Singen dorthin gegangen sind.

Eventuell hat der Papst die Kirche durch kircheninterne Kanäle unterstützt - ist aber nur eine Vermutung.

Meiner Meinung nach ist der Hauptauslöser:
- die Grenzöffnung Ungarn-Österreich,
- die Botschaft in Prag,
- Gorbi,
- und die Montagsdemo
und zwar in der Reihenfolge

Gut das jetzt jeder seine Meinung haben darf  ;)

Wie meinst Du das mit Deiner Reihenfolge ? Zeitlich oder nach dem Anteil an der Wende?  Wenn es zeitlich sein soll, dann hast Du Dich kräftig verhauen, Gorbis Perestroika gabs wesentlich vor der Grenzöffnung in Ungarn bzw. war eine Voraussetzung dafür... Achja, das mit der Botschaft im Prag war auch erst Ende September 89.
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: diali am 07.04.05 - 11:33:04
ich meinte schon die Wichtigkeit.

Die Züge von Prag über Dresden in die BRD durfte ich mir alle ansehen.

War nicht lustig, wenn Du beim Betreten des Bahnhofes von Polizei oder Armee bis zu Deinem Zug begleitet wirst und die auch aufpassen, dass Du in diesen Zug einsteigst und mit diesem Zug abfährst. Oder die die Leute, die auf den Zug Richtung Westen aufsprigen wollen einkesseln, einzelne rausgreifen und dann zu acht oder mehr zusammenschlagen.
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Don Pasquale am 07.04.05 - 11:35:54
ich meinte schon die Wichtigkeit.

So habe ich das auch rausgelesen,
interessant wäre - im Rahmen des eigentlichen Topics - könntest Du diese Liste weiterführen bis auch der papst darauf auftaucht. Oder hat er "gar keinen" Anteil an der Wiedervereinigung. Negierst Du also den polnischen Einfluß auf das Tauwetter im Osten ?

Ciao
Don Pasquale
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Glombi am 07.04.05 - 12:23:02
Ich habe dazu mal folgendes ausgegraben - aus entgegengesetzten Seiten beleuchtet:

http://www.wsws.org/de/2005/apr2005/paps-a06.shtml

http://religion.orf.at/projekt02/religionen/biographien/papst/papst_kommunismus.htm

Andreas
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: dh-paule am 07.04.05 - 12:23:50
wie wäre eine Liste zeitlich sortiert mit prozentualer Angabe, etwa so:

- Wahl des Papstes + dessen Einfluss in Polen   5%
- Streikbewegung in Polen / Solidarnosc  5%
- Perestroika in der Sowjetunion durch Gorbatschow 50%
- Grenzöffnung Ungarn 10%

etc...

Das Problem dabei ist aber das die ersten 5% sehr gering erscheinen, aber eben eine Voraussetzung für die 50% von Gorbi waren...

Oder mal ganz krass anders formuliert, Gorbatschow hatte einen seeeeehr grossen Anteil an der Wende, aber war nicht auch eine Vorraussetzung dafür das sich Papa Gorbatschow und Mama Gorbatschow liebgehabt haben und als Folge eines Liebesakts ist dann der Kleine Michail entstanden. So haben also auch die Eltern einen immensen Anteil an der Wende. Genauso wie die süsse Swetlana in die sich Gorbatschow verliebte und wegen der er sich dann doch in den Gruppenrat als Agitator wählen lies und so seine politische Laufbahn begann....

Man kann das ganze vom hundertsten ins tausendse spinnen und letztendlich habe seeeeeeeeeehr viele Ihren Anteil an der Wende
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Don Pasquale am 07.04.05 - 12:31:04
dafür das sich Papa Gorbatschow und Mama Gorbatschow liebgehabt haben und als Folge eines Liebesakts ist dann der Kleine Michail entstanden.

Tut mir leid, dass ist mir zu albern.

Ich wollte an Dialis Posting anknüpfen und es zurück zum Topic bringen.

Ich denke der Thread ist ausdiskutiert.

Ciao
Don Pasquale

Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Gandhi am 07.04.05 - 12:43:47
Meiner Meinung nach hat das beschissene System im Osten am allermeisten für die Wende getan. Es ist eigentlich nur natürlich, dass sich da der Mensch (früher oder später) gegen wehrt. Freiheit ist immer noch mindestens eines der wichtigsten Grundvoraussetzungen für ein erfülltes Leben....Da hat dann die Menschheit erkannt, dass wer A sagt nicht auch B sagen muss, sondern auch erkennen kann, dass A falsch war. Leider wurde das in Teilen zwischenzeitlich wieder vergessen.

und zu DH-Paule:
Zitat
Oder will einer behaupten das der Kapitalismus/Imperialismus wirklich das Gelbe vom Ei ist ?
1. Frage: Wo in der BRD existieren imperialistische Züge? Gegenüber dem Osten? Willst Du damit sagen, dass die BRD in ihrer heutigen/damaligen Form imperialistisch war?
2. Kapitalismus: Nenne mir EIN REALES System, was für die Freiheit der Menschen, sowie deren wirtschaftlichen Status mehr erreicht hat als der Kapitalismus. Nenne mir ein System, in dem die Lebenserwartung (die ein ganz guter Spiegel der Lebensqualität ist) höher ist, als in 'kapitalistischen' Staaten. Ich kann es nicht mehr hören: Wer ein besseres System als den Kapitalismus kennt darf es gerne vortragen. Wer nicht hält besser die Klappe zu der Schlechtigkeit des Kapitalismus...

Zur Rolle des Papstes: In Polen war er vermutlich zu mächtig um ausgeschaltet zu werden (wobei es ja wohl Spekulationen zum Attentat auf ihn gibt, die besagen, dass daran osteuropäische Geheimdienste beteiligt waren). Habe gestern gelesen, dass er Solidarnosz wohl erst möglich gemacht habe - mit Geld und Einfluß und nicht zuletzt Macht (wer hätte sich gewagt die Kirche physisch anzugreifen). Da das eine der Keimzellen der Widerstandsbewegung in Osteuropa war wäre dann sein Einfluß, wie auch der Lech Walesas nicht zu unterschätzen. Offensichtlich sehen das viele Menschen so. Und nur weil er tot ist würden wohl nicht Millionen nach Rom pilgern - da muss dann irgendwie schon mehr dran sein (auch wenn mir überhaupt nicht klar ist was....)
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: diali am 07.04.05 - 12:55:10
in erster Linie ging es damals nicht um die Wiedervereinigung - selbst bei den ersten Montagsdemos nicht.

Es ging um Mitspracherechte, Reisefreiheit, die Bedingungen im Land usw.
(Kurz vor der Wende wurden sogar Reisen in sozialistische Staaten erschwert. Es gab Läden, in die durften die DDR-Bürger nicht rein (Transit-Shop)).

Ob der Papst etwas mit der Öffnung der Kirchen und dem Schutz der Demonstranten zu tun hat  ??? kann ich nicht sagen - damit kann ich es in meiner Liste nicht einreihen.

Auch glaube ich nicht, dass Solidarnosc so viel mit dem zu tun hatte.
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Don Pasquale am 07.04.05 - 13:00:17
in erster Linie ging es damals nicht um die Wiedervereinigung - selbst bei den ersten Montagsdemos nicht.

Aber diese führten zur Revolution und damit - gewollt oder nicht  :) - zur Wiedervereinigung.

Auch glaube ich nicht, dass Solidarnosc so viel mit dem zu tun hatte.

OK, vom Papst bis zur Solidarnosc ist also allgemein anerkannt, von den Montagsdemos bis zur Wiedervereininung eventuelle auch.

Das ist genau das, was mir auch noch fehlt. Wann begann sich aus dem allgemeinen Unmut in der DDR ein organisierter Wiederstand zu formieren und hat eventuell die Kirche daran mitgewirkt ( wohlwissen das der Papst dies gutheissen würde ? )

Ciao
Don Pasquale
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Gandhi am 07.04.05 - 13:08:32
Gabs da nicht irgendwelche Montagsgebete.... aber meines Wissens doch in einer evangelischen Kirche...

Vielleicht kann man das nicht auf die DDR sehen - da verliert man den Focus. Aber der Papst war der erste, der vor Millionen Bürgern eines kommunistischen Landes (Polen) die Menschenrechte einforderte.
Das kann ihm niemand nehmen. Er war der Erste, der sich so öffentlich gegen zumindest Teile des Kommunismus stellen konnte und gestellt hat.
Und wie wir von Dürrenmatt wissen: Was einmal gedacht wurde, dass kann nie mehr zurückgenommen werden. Das gleiche gilt natürlich dann auch für die Papstrede.

Und das die Kirche aufgrund unterschiedlicher Weltauffassung ohnehin diametral zum Kommunismus steht ist auch sicher. Somit war mit der Papstwahl der prominenteste Pole ein Gegner des Kommunismus, was unmittelbar wohl kaum einen Einfluss auf die DDR genommen haben muss, unter der Voraussetzung der Conditio sine qua non (Ein Ereignis, dass in einer Kette anderer Ereignisse zu einem speziellen Ergebnis führt) aber doch einen gravierenden Einschnitt bedeutet haben: Im kommunistischen Polen gab es eine Widerstandsbewegung, die relativ offen auftreten konnte und gegen die man aufgrund großer Sympathien im Volk auch nicht wie in Prag zu Werke gehen konnte.
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: diali am 07.04.05 - 13:16:24
Zitat
Aber diese führten zur Revolution und damit - gewollt oder nicht   - zur Wiedervereinigung.
Da kann ich nur zustimmen ;D.

Wann der Unmut begann ??? der Wuchs je nach dem was wieder ans Tageslicht kam und da kam nicht viel, die Oberen haben gut zusammengehalten.

Einen organisierten Wiederstand gab es bestimmt, dies waren aber eher kleine Gruppen.
Der große Wiederstand fing mit den ersten Montagsdemos an.

Durch die Organisation des Staatsapparates wagte Anfangs keiner etwas zu sagen, jeder wusste, die Stasi ist überall und kaum einer wusste ob der Nachbar dazugehörte.

Es waren auch glückliche Umstände, dass die Montagsdemos nicht in Gewalt ausarteten.
- in den Seitenstraßen stande die Armee
- die Armee hatte Urlaubssperre und Informationssperre (Radio, Zeitung, TV)
- dazu zähle ich auch den Versprecher, dass die Grenzen zur BRD offen sind
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: dh-paule am 07.04.05 - 13:49:55
Meiner Meinung nach hat das beschissene System im Osten am allermeisten für die Wende getan. Es ist eigentlich nur natürlich, dass sich da der Mensch (früher oder später) gegen wehrt. Freiheit ist immer noch mindestens eines der wichtigsten Grundvoraussetzungen für ein erfülltes Leben....Da hat dann die Menschheit erkannt, dass wer A sagt nicht auch B sagen muss, sondern auch erkennen kann, dass A falsch war. Leider wurde das in Teilen zwischenzeitlich wieder vergessen.

und zu DH-Paule:
Zitat
Oder will einer behaupten das der Kapitalismus/Imperialismus wirklich das Gelbe vom Ei ist ?
1. Frage: Wo in der BRD existieren imperialistische Züge? Gegenüber dem Osten? Willst Du damit sagen, dass die BRD in ihrer heutigen/damaligen Form imperialistisch war?
2. Kapitalismus: Nenne mir EIN REALES System, was für die Freiheit der Menschen, sowie deren wirtschaftlichen Status mehr erreicht hat als der Kapitalismus. Nenne mir ein System, in dem die Lebenserwartung (die ein ganz guter Spiegel der Lebensqualität ist) höher ist, als in 'kapitalistischen' Staaten. Ich kann es nicht mehr hören: Wer ein besseres System als den Kapitalismus kennt darf es gerne vortragen. Wer nicht hält besser die Klappe zu der Schlechtigkeit des Kapitalismus...

Ui Ui Ui... da ist aber einer über das Ziel hinausgeschossen....

In meinem Beitrag ging es darum das am Beginn der Wende das Ziel nicht "Wiedervereinigung" hieß. Daran hatte (noch) keiner gedacht. Man wollte die gesellschaftlichen Bedingungen ändern, etwas verbessern, etwas neues schaffen. Reisefreiheit, Meinungsfreiheit & Demokratie waren die Ziele....

Und nun auch noch einmal zum "Gelben vom Ei":

Wo stand Deutschland nochmal bei der PisaStudie ?
Wieviele Arbeitslose gibt es aktuell ?
Wieviele Menschen sind obdachlos ?
Wieviele Mitarbeiter will die deutsche Bank rausschmeissen, trotz Rekordgewinn ?

Wer ist glücklicher? Der "mein Haus / mein Auto / mein Boot" Typ dessen wirtschaftlicher Status zwar hoch ist, der aber auch 50-60h in der Woche arbeitet, der über die Hälfte seines Einkommens durch Steuern & Abgaben verliert, vom Rest geht dann ein weiterer grosser Batzen für die Grundbedürfnisse "Essen, Kleiden, Wohnen" drauf...
Ja, dem geht es gut, aber ist man so automatisch glücklich ?

Du kannst Dir sicher sein, ich habe es nicht vergessen weswegen wir im Osten anstehen mussten (gescheite Wurts gabs bei uns z.B. nur Mii. & Freitag) Auch weine ich einem System keine Träne nach das von einem 18jährigen erwartet das man sich von seinen Eltern lossagt, sämtliche Kontakte abbricht nur um die berufliche Laufbahn weiter fortzusetzen. Wir sind enteignet worden als meine Mutter in den Westen floh, Konto und Haus gehörten nicht mehr uns... etc.

Das hab ich sicher nicht vergessen, ABER hier und heute läuft auch einiges schief. Und man muss nicht unbedingt Lösungen parat haben um Fehler zu erkennen...
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Don Pasquale am 07.04.05 - 13:53:43

Das ist off-topic und sollte hier nicht weiter diskutiert werden.
Falls Du das willst, mache dafür einen eigenen Thread auf.

Ciao
Don Pasquale


Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Glombi am 07.04.05 - 13:58:28
Hallo Leute,

haltet Euch bitte etwas zurück. Don wollte etwas über den Beitrag des Papstes zur Wiedervereinigung wissen. Wer dazu sachdienliche Hinweise hat, darf es gerne posten.
Wenn das hier allerdings in eine Ossi gegen Wessi Diskussion ausartet, dann wird der Thread geschlossen.

Danke für Euer Verständnis!

Gruß
Andreas
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Gandhi am 07.04.05 - 14:01:48
OkOk...
Wir waren doch schon fertig...(oder?)

Bin wieder beim Thema...
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: diali am 07.04.05 - 14:05:18
Zitat
Gabs da nicht irgendwelche Montagsgebete...
Ja. Das Thema wurde auch verfilmt - aber fragt mich nicht wie sich der Film nannte.
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Don Pasquale am 07.04.05 - 14:25:06
Vielleicht kann man das nicht auf die DDR sehen - da verliert man den Focus. Aber der Papst war der erste, der vor Millionen Bürgern eines kommunistischen Landes (Polen) die Menschenrechte einforderte.
Das kann ihm niemand nehmen. Er war der Erste, der sich so öffentlich gegen zumindest Teile des Kommunismus stellen konnte und gestellt hat.

Das würde ich gerne als Fazit stehen lassen, es sei denn jemand wagt sich noch an das/die bisher noch fehlende(n) Glied(er) von Solidarnosc bis hin zu den Montagsdemos.

Ciao
Don Pasquale
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: Marinero Atlántico am 07.04.05 - 14:34:19
Jedenfalls hat Lech Walesa gesagt, dass er vor dem ersten Besuch von dem Pabst in Polen auf 10 Leute für Opposition zählen konnte. Nach dem Pabstbesuch waren es 10 Millionen.
Er scheint da jedenfalls sehr, sehr inspirierend gewirkt zu haben. Vielleicht unterschätzen Leute mit einem sehr materialistisch geprägten Weltbild die Wirkung von so einem Pabst. Ich kenne stark katholisch auf der einen und irgendwie sehr materialistisch sozialisierte Leute auf der ander Seite. Da gibt es wirklich fundamentale Unterschiede. Und ich glaub für den polnischen Katholizismus der 80er Jahre gibt es in unserer Gesellschaft kaum noch Entsprechungen, ausser vielleicht meine Oma aber die stirbt bald. Leider. In anderen stark katholisch geprägten Ländern ist das anders im Sinne von wirklich anders. 
Auch war die weitgehend evangelische Kirche in der DDR so eine Art Kristallisationspunkt gegen das herrschende, nicht demokratisch legitimierte System. Vielleicht hat auch da der Pabst in gewisser Weise  ermutigend gewirkt.
Ich glaub auch an einen starken Antagonismus zwischen Kirche und Sozialismus. Stärkere ideologische Verbindungen gab es meines Wissens nur in einem wirklich extrem ungerechten Mittelamerika (Ernesto Cardenal (spelling?)). Zwar gibt es Überschneidungen. Auf der anderen Seite aber sehr, sehr, sehr tiefgreifende Unterschiede. Katholiken liegt z.B. meiner Ansicht nach die Idee der Schaffung eines "neuen Menschen" noch ferner als Protestanten. Ausserdem hat Marx stark gegen die Kirche polemisiert, indem er diese imho aus seiner materialistischen Sicht als reines "Unterdrückten-Ruhig-Stell-Programm" zur Verhinderung der historisch-gesetzmässigen Entwicklung zum Sozialismus gesehen hat.
Ich bin selbst nicht praktizierender Katholik und auch in vielen Punkten Pabst-kritisch, aber mein Vater kann sich z.B. glaub ich unter so etwas wie einer Seele nichts vorstellen.
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: dh-paule am 07.04.05 - 14:47:09
Ein wenig empfindlich heute  ???
kaum, dass einer 3 Zeilen über ein anderes Thema schrieb und ein anderer 4 zurückschrieb....?
Wir waren doch schon fertig...(oder?)

Ist ja gut, ich höre auf, bin ja auch schon wieder Off-off-topic... 8)

 ;) stimmt, wir vertragen uns und alle anderen machen sich Sorgen  ???  naja, ich sag jetzt nix mehr  :-X
Titel: Re: Etwas politisch-historisches, eure Ansicht gefragt
Beitrag von: diali am 07.04.05 - 14:56:12
Gabs da nicht irgendwelche Montagsgebete.... aber meines Wissens doch in einer evangelischen Kirche...
Es war die Nikolaikirche und so das ist auch der Film "Nikolaikirche"

http://www.leipzig.de/herbst89/
Erst gab es die Montagsgebete und dann die Montagsdemo.