Ich begleite die Domino-Welt schon eine Weile. Aus Iris wurde Lotus, dann IBM, nun HCL

. Mit jeder Übernahme wurden die Ankündigungen noch lauter, noch greller, noch größer.
Nur - es ist lediglich dabei geblieben: Ankündigungen.
Mit blinder Gewalt werden immer mehr Rädchen und Schrauben an den Domino-Server angelötet. Die krude Administration dieses Wolpertigers braucht sich keinesfalls hinter der Konkurrenz des Möchtegern-Mitbewerbers verstecken

. Man kann sich zurücklehnen und an der stillen Freude der Fangemeinden teilhaben, da immer die andere Seite das schlechtere Produkt hat.
Ich wollte das nicht. Und ich habe erkannt, dass HCL beim Thema "Entwicklungsumgebung" mehr als nur eine helfende Hand benötigt. Der ausschließliche Fokus auf den Domino-Server hat eine falsche Komfort-Zone für sehr viele Domino-Entwickler geschaffen. Und die permanente Supportverlängerung von Uralt-Versionen gibt dieser Tatenlosigkeit auch noch eine fast göttliche Begründung

. Doch HCL würdigt einem an dieser Stelle nicht einmal einer Antwort. Selbst wenn man sich über Empfehlungen von HCL-Mitarbeitern bewirbt. Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung erlebe und höre ich gerade täglich, dass "überqualifizierte Fachkräfte" nicht zum Stellenprofil passen

.
Mich ärgert es, dass die Personen, die im Domino-Server mehr als nur Mail, Kalender und Aufgaben sehen, schlichtweg vergessen werden. Der Notes Client wird als Allmacht zementiert - und auch HCL zieht an dieser Stelle immer wieder genau diese Ausrede aus der Schublade, weshalb es keine brauchbaren, strukturellen Veränderungen in der Entwicklungsumgebung gibt: "Es läuft doch seit über 20 Jahren im Notes-Client!"
Es wird ignoriert, dass die Verknüpfung verteilter Datenobjekte in diesem Notes-Client eine ausgesprochene Folter darstellt. Man behilft sich mit Datenredundanz-Konstrukten, die völlig absurde Synchronisationsabläufe nach sich ziehen und immer zu Lücken führen. Oder baut temporäre Dokumente auf, in denen die benötigten Daten zusammengestrickt werden. Und löst dabei keines der zuvor genannten Probleme.
Und dann noch die Stressthemen Code Management, Testautomatisierung, Build / Deployment Pipelines? Alles nicht vorhanden oder unbrauchbar implementiert.
Und ich habe noch gar nicht über Frontend geredet.
Die Oberfläche ist für alle Benutzer eine grausame Ansammlung von Flickwerk. Dass es im Hintergrund einigermaßen geschmeidig läuft? Davon hat der Benutzer nichts. Dieser sieht eine inkonsistente Zusammensetzung störender Bauteile. Und das seit über 30 Jahren! Dass es die Konkurrenz nicht zwingend besser macht ist für mich kein gültiges Argument.
Ein erster Versuch wurde mit den XPages gestartet. Also eine Abstraktionsebene einzuführen, die den Anschein einer Trennung von Datenhaltung und Datendarstellung gibt. Zu Ende umgesetzt wurde es nicht. Die Entwickler wurden mit den Problemen alleine gelassen. Und die meisten haben gar nicht erst angefangen, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. "Es läuft doch seit über 20 Jahren im Notes-Client!"
Dann kam eine Runde, bei der ich wirklich die Hoffnung hatte, dass wir endlich auch Personen begeistern können, die den Fackelstab für Domino in die nächste Generation übernehmen können: AppDev Pack. Und auch hier wurde es nicht zu Ende gedacht, mittendrin abgesetzt und die Entwickler wurden mit den Problemen alleine gelassen. Ja! Auch hier haben die meisten gar nicht erst angefangen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. "Es läuft doch seit über 20 Jahren im Notes-Client!"
Undankbar auch: das Dahindümpeln von der Domino REST API (Project Keep). Von der Entwicklergemeinde sträflich ignoriert. Na, ja. Es läuft halt nicht so gut im Notes Client.
Und dann sollte es VoltMX retten. Ein völlig überladenes Gewerk, welches zusätzlich zur vorhandenen Infrastruktur aufgesetzt werden muss. Doch am Ende muss man die veralteten Anwendungen anfassen. Und es läuft gar nicht im Notes Client!
Also muss es etwas einfacheres geben, dass einem die altbackenen Anwendungen mordernisiert. So halbwegs eben etwas am "Style" ändert. Nur, auch da müssen die vorhandenen Anwendungen angepasst werden.
Nun aber richtig: KI. Jetzt wird es richtig super. Finance Controller und Geschäftsführer jauchzen und frohlocken. Man benötigt keine Entwickler mehr. Die nächste Mörder-Anwendung ist nur einen Prompt entfernt. Und in Null,Nichts voll produktiv. HCL springt ebenfalls auf den Zug auf. Und liefert eine Summary-Machine für Mails, der man noch zusätzlich ein paar leblose Antwort-Templates herauskitzeln kann. Und es läuft im Notes Client! Warum man hier KI einsetzen muss und welchen echten unternehmerischen Mehrwert das geben soll, konnte mir bisher weder HCL noch irgendein Unternehmen erklären. Aber das Strom-Abo für den Atommeiler hat man schon mal abgeschlossen.
Ich kann mich sehr gut an Vorträge von Christian Güdemann, Lars Migula, Thilo Volprich, Sven Hasselbach, Bernd Hort, Thomas Bahn und von mir selbst erinnern. Dort wurden Möglichkeiten aufgezeigt, sich der berechtigten Kritik der Benutzer anzunehmen und neue Wege einzuschlagen. Gerade um den Domino-Server als stabile Anwendungsplattform zu propagieren und junge Leute zu gewinnen.
Heute blicke ich zurück. Vielleicht auch, weil ich gerade mittendrin in einer Entscheidung stecke, wohin die Reise für mich künftig gehen soll. Die Domino-Anwendungen die ich zu sehen bekomme, lassen mich fassungslos zurück

. Jahrzehntelang wurden Beschwerden über Performance, Datenqualität, Bedienbarkeit und Effizienz vernachlässigt. Vorschläge für Verbesserungen und Optimierungen werden stur ignoriert. Auch diese der eingekauften Berater von HCL. Und selbst diese von anerkannten Spezialisten aus der HCL-Welt. Ignoriert! Nicht einmal dann, wenn es auch die Entwicklung vereinfachen wird. Ignoriert! "Es läuft doch seit über 20 Jahren im Notes-Client!"
Doch wie lange denn noch? Die Generation, die das übernehmen soll, wurde von IBM und HCL einfach ausgeblendet. Und IT-Leiter werden sicher nicht mit Rentenanwärtern die Systeme weiter betreiben. Ich lasse hier außen vor, dass sich die Unternehmen hypermedial gerne als Opfer des Fachkräftemangels präsentieren - und unterschlagen derweil, dass sie nur für F-l-achkräfte bezahlen wollen.
Benutzer wollen heute keine fitzelige Installationsorgien auf ihrem Rechner haben, um dann mit einer trägen und veralteten Oberfläche malträtiert zu werden.
Administratoren haben genug andere Sorgen, als sich um das Verteilen von Rich-Clients zu kümmern.
Und Kunden werden ganz sicher nicht zuerst einen Notes-Client installieren, um Zugriff auf eine Anwendung zu erhalten.
Auch wenn es etwas übertrieben dargestellt ist, es zeigt das eigentliche Dilemma, weshalb die Domino-Welt da ist, wo sie ist. "Es läuft doch seit über 20 Jahren im Notes-Client!"
Die aktuelle geopolitische Lage ist eine Blaupause, um einen erfolgreichen Feldzug gegen die großen Tech-Giganten zu fahren, und sich von deren Abhängigkeit zu lösen. Das Thema Datensouveränität ist selbst bei der CSU angekommen. Nur: trotz mehrjähriger Ankündigung dieser Situation vom King of Golden Deals bleibt HCL hier nicht einmal eine Randnotiz. Momentum verpasst!
Mich interessiert, ob ich alleine bin mit dieser Beobachtung.
Wie kommt bei euch die aktuelle Situation an?