Autor Thema: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft  (Gelesen 43442 mal)

Offline flaite

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« Letzte Änderung: 06.10.08 - 17:53:29 von Axel Pitiyankee »
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Offline pd

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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #1 am: 07.10.08 - 07:44:33 »
Nuja, Großbanken wirds wohl am frühesten treffen. Aber mittlerweile werden da auch Gelder verschoben, die mengenmäßig für einen Menschen nur noch schwer zu erfassen sind, bzw. deren Tragweite abzuschätzen. Die Gigantomanie wird eben durch den Menschen begrenzt.

Spüren wirds unterm Strich jeder auf der Welt irgendwie, seien es gestiegene Zinsen (in welchem Verhältnis auch immer) oder gesunkene Kurse...

Patrick
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Offline flaite

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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #2 am: 07.10.08 - 10:22:29 »
 Die Aufgabe des Finanzmarktes besteht darin, das Mittel von Anlegern auf entsprechend ertragreiche Investoren verteilt wird.
Diese Aufgabe haben die nicht erfüllt. Stattdessen wurden da nicht mehr durchschaubare Anlage-Objekte erzeugt, die zwar einen scheinbar hohen Ertrag aufwiesen, aber das mit ihnen verbundene Risiko hinter einer Wand von Intransparenz verbargen.
Und das hat keiner durchschaut. Angesichts des Auftretens von Bankern in den letzten Jahren lag dieser mangelnde Überblick sicher nicht an einem mangelnden Selbstwertgefühl.
Nun wird aus diesen Fehlern gelernt werden. Nach den Rettungsaktionen werden Spielregeln eingezogen, die den Finanzmarkt weniger frei aber eben auch transparenter machen werden.
Die Unterbewertung der Risiken bewirkte, dass in den USA vergleichsweise zu viele Leute in den Genuß eines eigenen Hauses kamen.
In der Zwischenzeit wird es bedingt durch die Vertrauenskrise für Investoren teurer, die vom Finanzmarkt benötigten Kredite zu erhalten. Ausserdem werden sich Konsumenten wg. Unsicherheit mit Käufen zurückhalten. Das hat dann Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.

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« Letzte Änderung: 07.10.08 - 10:29:40 von Axel Pitiyankee »
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Glombi

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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #3 am: 07.10.08 - 10:37:33 »
Amiland wird für längere Zeit als Konsummarkt wegfallen. Bleibt die Frage, wie schnell neue Märkte - Südamerika und Inden + China - aufgebaut bzw. erweitert werden können, um das einigermaßen zu kompensieren.


Vom Weltklima spricht auf einmal keiner mehr. Das waren aber wohl auch nur Nebelkerzen um sich einen grünen Anstrich zu geben...

Offline flaite

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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #4 am: 07.10.08 - 13:01:34 »
Bleibt die Frage, wie schnell neue Märkte - Südamerika und Inden + China - aufgebaut bzw. erweitert werden können, um das einigermaßen zu kompensieren.
Ist "selber aufbauen" und nicht "aufgebaut werden". 

Die Importe vieler südamerikanischer Länder haben sich in den letzten 3 Jahren z.T. verdoppelt. Nur ist das einfach ein niedrigeres Niveau als die USA. Ausserdem werden sich die sinkenden Rohstoffexportpreise auch dämpfend auf der ihre Importe auswirken. Und dann gibts da makroökonomisch robuste Staaten wie Chile, Brasilien, Peru und Kolumbien sowie gewisse andere Kandidaten, por Díos... über die red ich jetzt nicht.
Osteuropa wird als Markt auch immer kaufkräftiger.

Das mit den Amis konnte eh nicht bis zum nächsten Erscheinen von Baby Jesus so weitergehen und das wurde auch befürchtet.
Gewaltige Leistungsbilanzdefizite über 30 Jahre? Kein Problem. Dafür gibts schliesslich die Kapitalbilanz, mit der man die Leistungsbilanz ausgleichen kann:
Zitat
The USA is such a great country, that foreigners happily invest their money into it
(O-Ton Russ Roberts in EconTalk von vor 4 Monaten).

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Offline Thomas Schulte

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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #5 am: 07.10.08 - 13:18:58 »
Na die Krise ist da doch schon angekommen ....

http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,582633,00.html

http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,582617,00.html

Es ist keine Frage mehr "ob" es die Realwirtschaft treffen wird.
Es ist nur noch eine Frage des "wie schnell" und "wie heftig".

Wohl dem, der jetzt nicht auf Krediten sitzt um sein Haus/Auto/den letzten Urlaub zu bezahlen und noch besser für den der ein Stück bebaubares Land sein eigen nennt.
Und wer kann sollte sich jetzt noch einen landwirtschaftlichen Betrieb zulegen. Damit kann er wenn es ganz böse kommt zumindest seine eigene Familie ernähren und mit Heizmaterial versorgen.
« Letzte Änderung: 07.10.08 - 13:22:32 von Thomas Schulte »
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Offline Ralf_M_Petter

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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #6 am: 07.10.08 - 14:27:28 »
Wohl dem, der jetzt nicht auf Krediten sitzt um sein Haus/Auto/den letzten Urlaub zu bezahlen und noch besser für den der ein Stück bebaubares Land sein eigen nennt.

Verstehe ich jetzt nicht. Ich wäre froh, wenn ich mein Haus schon gebaut hätte und nicht momentan einen großen Batzen Geld auf Sparbüchern und Wertpapiere angelegt hätte. Ich bin zwar aufgrund meiner Befürchtungen schon Ende letzten Jahres mit dem meisten Geld in Fixverzinsliche Anlagen gewechselt, aber vor einer Bankenpleite oder einer Hyperinflation bewahrt mich das auch nicht. Wenn ich aber das Haus schon gebaut hätte könnte ich sogar den Vorteil haben, dass durch eine Hyperinflation der Kreditbetrag leichter zurückgezahlt werden könnte. Immer Vorausgesetzt man hat nicht zu riskant finanziert.

Grüße

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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #7 am: 07.10.08 - 14:52:57 »
Die VW Aktie ist heute zeitweise um 50% gestiegen...

Geht doch  ;)

Offline flaite

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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #8 am: 07.10.08 - 15:11:08 »
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,582633,00.html
Versteh ich nicht. Isländer haben mit dem massiven Einstieg in die wunderbare Welt des modernen Banking über Jahre sehr, sehr viel Geld geschefelt. Da sich dies nun als keine besonders lauterere Art des Broterwerbs herausgestellt hat, müssen die halt ein bischen leiden. 

Von einer Hyperinflation kann überhaupt keine Rede sein. Die Inflation wird im Gegenteil abnehmen.
Wenn jetzt noch einer dieser lachhaften und dramatisch überbezahlten Banking Experten ein Enthüllungsbuch von innen schreiben würde, könnte ich glatt zum Anhänger dieser Krise werden.
Oder vielleicht könnte das allgemein Banking-kritische Momentum ein bischen zum Sturm auf die Schweizer und Liechtensteiner Bankengesetzgebung genutzt werden.  ;)
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klaussal

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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #9 am: 07.10.08 - 15:26:28 »
Zitat
bischen zum Sturm auf die Schweizer und Liechtensteiner Bankengesetzgebung genutzt werden.

.... bloß nicht.....   :-X

Offline pd

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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #10 am: 07.10.08 - 16:20:31 »
Die Aufgabe des Finanzmarktes besteht darin, das Mittel von Anlegern auf entsprechend ertragreiche Investoren verteilt wird.
Diese Aufgabe haben die nicht erfüllt. Stattdessen wurden da nicht mehr durchschaubare Anlage-Objekte erzeugt, die zwar einen scheinbar hohen Ertrag aufwiesen, aber das mit ihnen verbundene Risiko hinter einer Wand von Intransparenz verbargen.
Und das hat keiner durchschaut.
Diejenigen die das machen haben die direkten Risiken wohl zu größten Teilen qualitativ durchschaut. Das größere Problem war sicherlich die einsetztende Kettenreaktion und vor allem die Lawine der vorhandenen Summen und deren Bedeutung. Aber unterm Strich wirklich NICHT vollständig durchschaut.
Zitat
Angesichts des Auftretens von Bankern in den letzten Jahren lag dieser mangelnde Überblick sicher nicht an einem mangelnden Selbstwertgefühl.
Nun wird aus diesen Fehlern gelernt werden. Nach den Rettungsaktionen werden Spielregeln eingezogen, die den Finanzmarkt weniger frei aber eben auch transparenter machen werden.
Die Unterbewertung der Risiken bewirkte, dass in den USA vergleichsweise zu viele Leute in den Genuß eines eigenen Hauses kamen.
In der Zwischenzeit wird es bedingt durch die Vertrauenskrise für Investoren teurer, die vom Finanzmarkt benötigten Kredite zu erhalten. Ausserdem werden sich Konsumenten wg. Unsicherheit mit Käufen zurückhalten. Das hat dann Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.
Abzuwarten bleibt hier nur die Wucht der Auswirkung... Rollt sie tsunamisch drüber oder flüstert sie in sicherer Entfernung... Muss wohl für zig Fälle einzeln erörtert werden...
Zitat

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Hoffentlich nicht so schwarzweiss ;-)

Patrick
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Offline pd

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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #11 am: 07.10.08 - 16:22:47 »
Wohl dem, der jetzt nicht auf Krediten sitzt um sein Haus/Auto/den letzten Urlaub zu bezahlen und noch besser für den der ein Stück bebaubares Land sein eigen nennt.

Verstehe ich jetzt nicht. Ich wäre froh, wenn ich mein Haus schon gebaut hätte... aber vor einer Bankenpleite oder einer Hyperinflation bewahrt mich das auch nicht. Wenn ich aber das Haus schon gebaut hätte könnte ich sogar den Vorteil haben, dass durch eine Hyperinflation der Kreditbetrag leichter zurückgezahlt werden könnte.

Da bin ich aufgrund Zielgruppenzugehörigkeit dafür ;-)
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Offline blizzard

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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #12 am: 07.10.08 - 17:08:07 »
naja die die dafür verantwortlich sind werden ja nicht mal bestraft, sondern bekommen noch jeden Monat 50000€ in den Arsch geschoben. Hier sollte mal angesetzt werden und mit mehreren Jahresgehältern mit haftbar gemacht werden, wenn die scheisse bauen. Viel Geld machen ohne Risiko kann jeder...
Grüße Matthias :-)

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Offline heini_schwammerl

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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #13 am: 07.10.08 - 17:50:41 »
VW ist wohl ein Sonderfall wegen der Übernahme durch Porsche. Da hängt sich wohl der eine oder andere Spekulant mit rein oder Porsche kauft selber zu.
50.000$ ist sicher ein wenig niedrig geschätzt. Über 1.000.000 verdient ein Top Banker allemal im Jahr (plus Boni). Das mit dem haftbar machen ist auch so eine Sache. Die meisten Vorstände sind gegen Managementfehler exzellent versichert. Diese zahlt auch bei Schadensersatzforderungen sofern dem Vorstand keine strafbaren Handlungen nachgewiesen werden können.
Da der Finanzmarkt in den Krisenbereichen weitgehend dereguliert ist darf man fast tun oder lassen was man will (da ist dann also nichts mit strafbar).
Ansonsten machen Vorstände und Aufsichtsräte (mit ein wenig Unterstützung vom Staat) ihre Regeln ja weitgehend selber. Ich erwarte nicht dass diese an sich selbst zukünftig härtere Maßstäbe anlegen. Warum auch!?
Und die Politik läßt da sowieso die Finger weg.
Ich rechne damit das sich die Situation in den USA schon in Kürze wieder beruhigt. Die Amis können eh Geld drucken wie blöd da in der Welt trotzdem weiter alles in $ abgerechnet wird.

Offline flaite

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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #14 am: 07.10.08 - 18:04:24 »
Die Amis können eh Geld drucken wie blöd da in der Welt trotzdem weiter alles in $ abgerechnet wird.
Könnstest du bitte den Mechanismus ein wenig erläutern. Ich bin wirklich sehr interessiert.  ;D
Die Amis sind erstmal eher verschuldet wie blöd.

Die Haftbarkeit wäre Bestandteil der neuen Spielregeln. Jedoch können die natürlich nicht voll haftbar gemacht werden.
Ich bins ja auch nicht.
Deshalb müssen darüber hinausgehende Regeln her. Zum Bleistift, das Finanzprodukte staatlich oder supra-staatlich etwa im IWF-Rahmen genehmigt werden müssen. Die haben ja freie Ressourcen.
Ohne großartige blumige Diskussionen über Freiheit der Märkte oder sozialistische Hirngespinste. Einfach ein paar Nerds, die ihren Stempel geben müssen. Wie beim TÜV.
« Letzte Änderung: 07.10.08 - 18:26:46 von Axel Pitiyankee »
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Offline Gandhi

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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #15 am: 07.10.08 - 21:28:57 »
Das Interessante ist ja, dass der amerikanische Bankenmarkt bis 1999 (durch den New Deal Rosewelts) immerhin ein wenig reguliert wurde, indem 'normale' Banken keine Investmentbanken sein durften und umgekehrt. Das kann man nicht mal mehr GWB anhängen...

Im Moment als noch nicht Tangierter erscheint mir die derzeitige Situation als ein Lehrstück über die Gier der Menschen.
Man könnte sich amüsieren über die Blödheit, z.B. der KFW Banker, über die Ruchlosigkeit des Bankensystems der USA - alleine ist mir im Moment nicht zum Spaßen zumute. Da kommt eine Welle unbekannten Ausmaßes über den Atlantik geschwappt, und niemand, wirklich niemand kann sagen, wie hoch sie ist und was sie anrichten wird.
Ich weiß noch nicht mal, ob es angemessen ist ein schlechtes Gefühl zu haben und dennoch muss ich sagen, dass mit jeder Meldung dieser Art mein schlechtes Gefühl schlechter wird.

Irgendwo gab es gestern die Verkaufszahlen der Automobilhersteller. Rückgang der deutschen Verkäufe in den USA um 20-50% im Vergleich zum Vorjahr. Opel hat in Bochum und Eisenach offenbar erst mal das Werk stillgelegt.

Schon komisch, wenn Zahlen auf Computern diese plötzlich verlassen und die reale Welt in Schutt und Asche zu legen vermögen.

Offenbar ist der globalisierte Finanzmarkt zu komplex um ihn ohne Regeln zu beherrschen.
Goethe hätte dazu gesagt: Die ich rief die Geister werd ich nun nicht mehr los.
Wenn man jetzt noch einen Meister hätte...
Der "Wenn ich" und der "Hätt' ich" das sind zwei arme Leut'
oder für den Süden:
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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #16 am: 08.10.08 - 00:04:47 »
Im Moment als noch nicht Tangierter erscheint mir die derzeitige Situation als ein Lehrstück über die Gier der Menschen.

Völlig ohne Frage. Und bei diesem Spiel (anders kann man es wohl kaum bezeichnen) haben sehr, sehr viele mitgespielt: Die angeblich so klugen Banker und Analysten, Politiker, Manager (= bezahlte Mitarbeiter, was viel zu häufig vergessen wird) bis hin zur armen Oma, die ihre Spargroschen mit maximaler Rendite anlegt.

Nur: Was passiert jetzt wirklich? Die, von denen wir glaubten, dass sie es wissen, wissen es offensichtlichst nicht.
Verschwindet jetzt wirklich Geld? Ganz bestimmt nicht. Auch die alte Regel "Das Geld ist nicht verloren - es hat nur jemand anderes" gilt nicht mehr wie früher, da heute weitere Effekte wie "funny money", reine Bilanzwerte (was heute abgeschrieben werden muss, kann später zurückkommen) etc. eine wesentliche Rolle spielen.

Was passieren muss (aus meiner Sicht): Die extrem mächtige Ausrichtung der Weltwirtschaft auf die Finanzwirtschaft muss genauso extrem zurückgedreht werden, die wahre Produktion - die Schaffung von Mehrwert, wie Karl Marx wohl gesagt hätte - muss wieder in den Mittelpunkt gerückt werden, um den sich alles dreht. Ein erfolgversprechendes Unternehmen mit erwirtschaftetem Kapitel unterstützen ist eine sinnvolle Sache (für das Geld), auch wenn das natürlich risikobehaftet sein kann. Das weitverbreitete Wetten auf das Steigen oder Fallen aller möglichen Werte, Leergeschäfte (der Begriff ist ja schon krank), die massive Einflussnahme auf Kurse und Preise (ich nenne nur mal den Begriff "Energieträger") hat dermassen zugenommen, dass doch selbst wir angeblich Unwissenden (und daher nicht jährlich mit Millionen Dollar oder Euro Abgefundene) schon seit vielen Jahren den Kopf schütteln.

Was wird passieren? Ich hoffe: Viel. Ich befürchte: Viel zu wenig. Staatliche Einflussnahme / Regulierung? Was soll es bringen? Bisher hat diese Kontrolle vollkommen versagt (in allen hier wesentlich involvierten Ländern). Für Deutschland nenne ich nur mal Begriffe wie SachenLB, IKB, KfW, BayernLB, WestLB - die lange Liste grandios-peinlichen Scheiterns, die wir alle bezahlen dürfen.
Was kann der Staat machen? Aus meiner Sicht: Nur Verbote aussprechen. Und da lieber eines mehr als eines zu wenig. Viel bringen kann aber auch das nicht: Das Geschäft ist global. EIN Staat kann da nahezu nichts machen.

Was wir aber nicht vergessen sollten: Die Finanzwirtschaft, die sich in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr aus der realen Welt (in der produziert wird) entfernt hat, scheint derzeit die Chance zu bieten, eben diese wieder auf relae Werte zu stellen. Ich hoffe dieses zumindest sehr stark.
Die reale Wirtschaft existiert aber weiter: Da gibt es Rohstoffe wie früher, da gibt es Maschinen und Gebäude, da produzieren Menschen und ebendiese Menschen haben Bedürfnisse wie früher.

Angesprochen wurden hier auch Autofirmen. Was da abgeht, wissen wir doch schon länger - die gegenwärtige Situation ist da nur noch ein Brandbeschleuniger:
Die amerikanische Autoindustrie ist schon lange am Ende. Ihre europäischen Ableger kränkeln ebenfalls seit vielen, vielen Jahren. Die US-Amerikaner können sich die abartig spritfressenden Ungetüme schlicht nicht mehr leisten - alternative Modelle stehen de facto dort nicht aus einheimischer Produktion zur Verfügung.
In Deutschland überlegen sich logischerweise auch immer mehr Menschen und Firmen, was sie für ihr Geld bekommen. Bisherigen Gewinnern der Finanzblase entfallen zudem inflationär (gut so). Damit bekommen Porsche, Daimler, BMW und Audi mehr Probleme als andere. By the way: Ich habe heute mal mittels "car calculator" einen Mercedes C-Klasse, einen A4 und einen Passat durchgerechnet, bis er meinem (fernöstlichen) Auto in Ausstattung und Leistung entsprach: Da hätte ich locker bis zu 10.000 EUR mehr bezahlen müssen. Dazu höherer Spritverbrauch. Wer tut sich das in Zukunft noch an? Wer braucht einen Cayenne, einen Carrera S oder einen  X6? Ich meine: Wer braucht das wirklich?

Was mich allerdings pessimistisch stimmt: Aus der sogenannten "Dot-Com-Blase" hat die die Welt wohl gar nichts gelernt. Meine Kollegen in der Firma, für die ich damals gearbeitet habe, haben in 1999 und Anfang 2000 bis zu 52 EUR für Aktionen der ach so tollen Firma bezahlt (als GmbH war sie das ja auch!). Seit 2002 dümpelt eben diese Aktie unter einem Euro. Auch wenn ich als Aktienverweigerer damals schief angeschaut wurde: Jegliche Häme geht mir ab, da ich erlebt habe, was da ganzen Familien passiert ist: Ersparnisse weg, dafür gab es dann die Entlassung.

So, und nun schauen wir mal, was passiert. Und vielleicht kommt auch die Software-Industrie wieder zu einer neuen Konzentration darauf, was die Unternehmen und die User wirklich brauchen. Ich hoffe dabei auch darauf, dass die IBM-Vertreter auf Konferenzen die Benefits von v8 bzw. v8.5 nicht mit so dämlichen Gadgets / Widgets (was sowieso dumme Wörter sind) wie dem Einbinden von Aktionkursen oder Wetterberichten vom anderen Ende der Welt preisen. Das braucht kein Mensch mehr ...

Bernhard

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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #17 am: 08.10.08 - 02:34:12 »
Was passieren muss (aus meiner Sicht): Die extrem mächtige Ausrichtung der Weltwirtschaft auf die Finanzwirtschaft
Hier bleibst du für mein Verständnis im Inkonkreten. Was heisst das: Ausrichtung auf die Finanzwirtschaft?
Güterwirtschaft und Finanzwirtschaft existieren nebeneinander. Es gibt Interdependenzen. Aber Ausrichtung? In vielen Bereichen hat man doch mit Finanzwirtschaft herzlich wenig zu tun.
Was wird passieren? Ich hoffe: Viel. Ich befürchte: Viel zu wenig. Staatliche Einflussnahme / Regulierung? Was soll es bringen? Bisher hat diese Kontrolle vollkommen versagt (in allen hier wesentlich involvierten Ländern).
In dem wirtschaftlich höchst erfolgreichen 19. Jhdt. hat es eine Menge solcher Massencrashs gegeben. Danach wurde in den Industrieländern so etwas wie Bankenaufsicht erst geschafffen. Nur wurde das in den letzten Jahren ausgehölt und durch institutionelle Innovationen unterlaufen.
Ich habe konkrete Vorschläge genannt, wie man das System reformieren kann.

EIN Staat kann da nahezu nichts machen.
Doch. Nur würden dann die Banken abwandern. Es gibt aber nun eine Bereitschaft zu supra-staatlichen Einigungen.

Was wir aber nicht vergessen sollten: Die Finanzwirtschaft, die sich in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr aus der realen Welt (in der produziert wird) entfernt hat, scheint derzeit die Chance zu bieten, eben diese wieder auf relae Werte zu stellen. Ich hoffe dieses zumindest sehr stark.
Die Finanzwirtschaft hat - wie jede Wirtschaft - ihre eigene Realität. Und diese Realität hat eben offensichtlich falsche Anreizsignale. Also muss diese Realität mit entsprechenden Spielregeln geändert werden. Wir haben die Wahl.

Wer braucht einen Cayenne, einen Carrera S oder einen  X6? Ich meine: Wer braucht das wirklich?
Ich hab einen Kollegen, der für sein geleastes Auto mehr als für seine Wohnung zahlt. Ich hab auch andere Präferenzen.
Offensichtlich wollen Leute das. Ob du oder ich das für "wirkliche" Bedürfnisse halten, ist unerheblich.

Was mich allerdings pessimistisch stimmt: Aus der sogenannten "Dot-Com-Blase" hat die die Welt wohl gar nichts gelernt.
Find ich doch. In der IT hat sich sehr viel geändert. Ich find das Projektmanagement heute viel partizipativer, humaner und realistischer als vor dem crash. Ausserdem gibts immer bessere Werkzeuge, um ein Projekt frühzeitig zu kontrollieren. Automatisiertes Testen. Die ganzen Frameworks helfen deutlich, Projekte besser vorhersehbar zu machen.
Die Bankenbranche macht jetzt diese schmerzhafte Erfahrung und wird daraus lernen. Wenn dies nicht funktionieren würde, wäre die Marktwirtschaft spätestens mit der holländischen Tulpenkrise des 17. Jhdts am Ende gewesen.


Zitat
So, und nun schauen wir mal, was passiert. Und vielleicht kommt auch die Software-Industrie wieder zu einer neuen Konzentration darauf, was die Unternehmen und die User wirklich brauchen. Ich hoffe dabei auch darauf, dass die IBM-Vertreter auf Konferenzen die Benefits von v8 bzw. v8.5 nicht mit so dämlichen Gadgets / Widgets (was sowieso dumme Wörter sind) wie dem Einbinden von Aktionkursen oder Wetterberichten vom anderen Ende der Welt preisen. Das braucht kein Mensch mehr ...
Wer soll denn entscheiden, was die "User wirklich brauchen"? Die User brauchen höchst verschiedene Dinge. Ich hab menschlich und fachlich einen tiefen Respekt und Sympathie für dich, Bernhard. Nur wir machen ziemlich unterschiedliche Dinge. Und wir haben beide Erfolge und Mißerfolge. Ich hab mit Webservices z.B. sehr kostengünstige Projekte durchgezogen, mit denen die Kunden sehr, sehr zufrieden waren. Ich hab Kollegen, die mit Oracle-SOA-Fullstack und IBM-SOA-Fullstack gute Projekte durchziehen. Sitz zur Zeit täglich vor einer im Ganzen gesehen unglaublich komplexen Apparatur mit eigenem Dateisystem, Websphere Portal, Content Manager, Common Store, Lotus Domino, etc. pp. Und das macht Sinn. IBM arbeitet an äußerst verschiedenen Dingen. Sicher nicht nur Gadgets.
Es gibt nicht das zentrale "wirkliche", weil die Bedürfnisse eben sehr differenziert sind.

Das ist mein VargasLlosismus: Sobald oberhalb der Familie eine zentrale Institution anfängt, eine den "wirklichen" Bedürfnissen gerechte Welt zu schaffen, entsteht unweigerlich ein repressives Gebilde.
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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #18 am: 08.10.08 - 08:32:05 »
Zitat
Hier bleibst du für mein Verständnis im Inkonkreten. Was heisst das: Ausrichtung auf die Finanzwirtschaft?
Güterwirtschaft und Finanzwirtschaft existieren nebeneinander. Es gibt Interdependenzen. Aber Ausrichtung? In vielen Bereichen hat man doch mit Finanzwirtschaft herzlich wenig zu tun.
In welchen? Meiner Erfahrung nach durchzieht die Finanzwirtschaft alle wirtschaftlichen Bereiche. Sie versorgen sowohl Verbraucher als auch Produzenten mit Liquidität, die diese benötigen um Produkte zu erstellen oder zu erwerben.

Interessant finde ich, dass viele Deutsche Banken kurz nach 2000 der Meinung waren, dringend mehr 'Investmentbank' werden zu müssen, weil die angelsächsische Konkurrenz eine so viel bessere Rendite hat. Kurzfristige Gewinne mit langfristigem Risiko also. Genauso wie die Manager für kurzfristige Gewinne belohnt werden, aber die Auslösung der langfristigen Risiken meist nicht mehr erleben. An den Börsen geht es sowieso weitestgehend nur noch um kurzfristige Gewinne. Das Eintreten des Risikofalles erleben andere.

Die Ursache hierfür ist unreflektierte Gier in Zusammenhang mit reduziertem Verantwortungsgefühl und fehlendem Anstand. Ganz ehrlich.

Ein Beispiel?
Eine große absolut florierende 'Gelddruckmaschine' bekommt einen neuen CFO. Dieser wird, wie die meisten Manager in seiner Position u.a. mit Optionen bezahlt. In der ersten Woche verkündet er mit der Consulting Weisheit "20 % Kosteneinsparung gehen immer" ein 'Effizienzprogramm'. Ohne wirtschaftliche Not sollen tausende von MA auf die Straße gesetzt werden, im mittleren Management gehen erste Kündigungen per SMS ein, ....
Der neue CFO verdient alleine durch diese Ankündigung mehrere Millionen über seine Optionen.
Auch wenn ich wirklich ein Anhänger des Freien Willen und Marktes bin, glaube ich nicht, dass solches Vorgehen a) zu rechtfertigen und b) langfristig gut für das spezielle Unternehmen oder die Wirtschaft insgesamt ist.

Ähnliches passierte auf dem Immobilien-Derivate Markt. Auf der einen Seite muss ich erst mal Häuslebauer finden, denen ich eine Immobilie andrehen kann, die er sich nur dann leisten kann, wenn deren Wert pro Jahr um etliche Prozentpunkte pro Jahr steigt. Das ist unverantwortlich. Aber das funktioniert, wie ein Schneeballsystem, so lange, so lange ich weitere Hauskäufer finde.
Dann funktioniert das noch eine weitere Weile, wenn ich anfange die gesammelten faulen Kredite in Derivate so bündele, dass das Risiko nicht mehr so sichtbar ist und eher unscharf. Jetzt kommt wieder die Gier der Käufer dieser Derivate bei anderen Instituten zum Zuge, die diese Risikobomben aufgrund der versprochenen Rendite gerne kaufen. Schließlich fällt die Rendite ab Tag eins an, während die meisten Häuslebauer noch ein paar Jahre mit Zusatzjobs durchhalten werden. Platzen die Kredite, ist der Manager, der die gekauft hat, entweder bereits bei einem anderen Arbeitgeber oder hat sich zumindest über die Bonizahlungen für die tollen Renditen soweit privat saniert, dass er nicht mehr wirklich arbeiten muss.

Summa summarum
So freie Märkte wie sie bis dato im Finanzsektor existierten funktionieren wohl nur beim Übermenschen. Der gemeine Banker muss Grenzen bekommen, die er bereits hatte und vor allem wieder etwas mehr Berufsethos. Banker waren mal durchgehend vertrauenswürdig und seriös.

Der "Wenn ich" und der "Hätt' ich" das sind zwei arme Leut'
oder für den Süden:
Hatti Tatti Wari - san drei Larifari

Offline Thomas Schulte

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Re: [Finanzmarktkrise]: überschwappen auf die Realwirtschaft
« Antwort #19 am: 08.10.08 - 09:11:54 »
Verstehe ich jetzt nicht. Ich wäre froh, wenn ich mein Haus schon gebaut hätte und nicht momentan einen großen Batzen Geld auf Sparbüchern und Wertpapiere angelegt hätte. Ich bin zwar aufgrund meiner Befürchtungen schon Ende letzten Jahres mit dem meisten Geld in Fixverzinsliche Anlagen gewechselt, aber vor einer Bankenpleite oder einer Hyperinflation bewahrt mich das auch nicht. Wenn ich aber das Haus schon gebaut hätte könnte ich sogar den Vorteil haben, dass durch eine Hyperinflation der Kreditbetrag leichter zurückgezahlt werden könnte. Immer Vorausgesetzt man hat nicht zu riskant finanziert.
Wenn du dein Haus schon gebaut und auch schon bezahlt hast, dann hast du zumindest ein paar Probleme weniger. Aber selbst wenn du solide finanzierst wirst du bei einer Hyperinflation das Problem haben das dir deine Bank den Kredit kündigt. Für diesen Fall gibt es nämlich in fast allen Kreditverträgen ein Sonderkündigungsrecht seitens der Bank.
Thomas Schulte

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