Tan Siekmann

[flaite]

Hi,

heute um 00:15 kam dieser Film im ZDF (http://www.weltmarktfuehrer-derfilm.de/fs_index_ohne_js.html)
Hat den jemand gesehen?
Ich war tief beeindruckt. War wohl auch in künstlerisch-technischer Hinsicht ein gut gemachter Dokumentarfilm. Hat auch Preise gewonnen. 
Einer dieser new economy Unternehmer Talente hat sich bei einem Neuanfang seiner Firma Bio Data von einem Film Team begleiten lassen.
Man sieht
- dieses für viele wohl charismatische, gutgenährte Kind mit Porsche-faible,
- wenige Leute um ihn herum die wohl eher gewinnen (Geschäftsführer, Vertriebschef) und
- eine Menge Leute, die verlieren (Kleinspekulanten, Angestellte, denen der Lohn nicht bezahlt wird).

Die "alles-wird-gut"-Reden auf Betriebsversammlungen kenne ich sehr ähnlich von meiner eigenen Zeit bei einem börsennotierten IT-Unternehmen (wobei die immer den Lohn gezahlt haben). 

Warum gibt es so viel Schludrigkeit und Lüge in eine Branche, die sich letztlich mit sehr nüchternen Sachen beschäftigt?
Dieser Dokumentar-Film zeigt es.
Erklären kann man das wohl nicht.
Mehr so ein Theaterstück von Menschen, die unter Druck inter-agieren.

Auch wenn meine Ausführungen jetzt nebulös waberig sind:
Unbedingt anschauen, wenn der einmal wiederholt wird. Bei den true intelectuals vom ZDF konnte ich dazu leider nix sehen:
http://www.presseportal.de/story.htx?nr=745153&firmaid=7840 

Gruß Axel

[Glombi]

Ich habe den Film leider nicht gesehen.

Warum gibt es so viel Schludrigkeit und Lüge in eine Branche, die sich letztlich mit sehr nüchternen Sachen beschäftigt?

Gier gibt es überall, unabhängig von der Branche. Aber in der jungen IT Welt tummeln sich viele Gordon Gekkos (Wall Street, Film).


Porschefahrer... erinnert mich an Herrn Schumacher bei seinem rasanten Auftritt beim Börsengang der Infineon an der Wall Street (NY).


Was ich aber im Frühjahr gesehen habe, ist eine Reportage des WDR über den Aufstieg und Fall der m+s.
http://www.infosat.info/Meldungen/?srID=5&msgID=14317

Es wird geschildert, wie ein solides Unternehmen, das es schon lange vor dem New Economy Hype gab, bewusst von einigen Banken den Bach heruntergeschickt wird. Die Motive dafür erschließen sich mir nicht.

Andreas

[Gandhi]

Also als sehr betroffener der M+S Pleite (das hat mich 30.000 Euro gekostet...) kann ich nicht bestätigen, dass die von den Banken runtergewirtschaftet wurden.
Das war einfach ein krasses Missmanagement - die haben bis zu 12 Wochen benötigt um Rechnungen zu stellen - nachdem ich die Timesheets eingesendet habe. Hohe Fluktuation bei den Mitarbeitern, wirklich faule und überhebliche Manager vor Ort etc.
Darüber hinaus die Herren der Familie Stripp, die ich persönlich kennengelernt habe, und bei denen Arroganz und Talent im krassen Gegensatz standen.
Der beste Beweis für die Unfähigkeit dieses Unternehmens war wohl ein Projekt, dass in der Nachbarabteilung lief: Nach 10 Monaten Vorbereitung wurde ein Rollout von ca. 100 Terminalservern wurde nach 2 Stunden zum Rollback, die Mitarbeiter waren vollkommen unqualifiziert (teilweise sprach der Helpdesk nicht mal richtig deutsch - von englisch ganz zu schweigen). Die beste Episode jedoch war, als sie einen Screenshot eines Servers mit Hilfe einer Digitalkamera machen wollten....
Die sind definitiv nicht von Banken ruiniert worden (auch wenn die Herren Mahr und Stripp das gerne in dieser Richtung auslegen) sondern sind klar an inkompetenz und überheblichkeit gescheitert.

Ansonsten gilt Warren Buffets Spruch: Man sollte nie in eine Firma investieren, deren Geschäftsmodell man nicht verstanden hat.
Hätten sich die Anleger der New-Economy hieran gehalten wären sie nicht auf die Nase gefallen.
Ich selbst habe dummerweise in Fonds (eines der grössten deutschen Fondsunternehmen) investiert, deren Portfoliomanager sich an diese Weisheit leider offensichtlich nicht gehalten haben - und da ist doch das eigentliche Problem: Die Banken und speziell deren Berater haben hier auf ganzer Linie versagt.

[flaite]

Schade, dass ihr diesen Film nicht gesehen habt.
Es war ein sehr ruhiger Dokumentar-Film.
So etwas wird ja auch durch Schnitte, Kameraeinstellungen, etc. erreicht.
Überhaupt nicht reißerisch oder welterklärend gemacht, sondern eher so agierende Individuen wie Du und ich.

Der Film behandelte eine Phase nach dem Börsenkrach als Siekmann und sein Geschäftsführer es noch einmal versuchten.
Letztlich waren sie sich irgendwie ihrer eigenen Gebrochenheit bewußt, liessen aber Reflexionen nicht wirklich zu. D.h. sie agierten nach dem vorgegebenen Schema (wir sind start up und werden die Welt beherrschen) immer weiter. Und trotz dieser Reflexions-Verweigerung haben sie sich von einem Film-Team begleiten lassen.
 
Wie alles was ich im Filmbereich für gut halte, erinnerte es mich an gewisse Kubrick Filme wie Barry Lyndon, Full Metal Jacket oder Wege zum Ruhm.   

Die Firma feierte übrigens während des Films auch 20-jähriges Bestehen.

[werxs]

Hi,

ich habe mir sowohl den Film gestern Abend über Tan Siekmann & Biodata als auch den von Andreas erwähnten Bericht über m+s gesehen und fand beide in ihrer Art sehr beachtenswert. Ich teile Axels Einschätzung und Beurteilung des Films (übrigens auch den zuletzt geäußerten Hinweis auf die Filme von Kubrik ); wenn man noch einmal die Gelegenheit bekommt: unbedingt anschauen!
Der Bericht über m+s im WDR lief m.W. in der Rubrik "die story".

Grüße
Helmut

[flaite]

Allein schon der Trailer ist Kult:
http://www.weltmarktfuehrer-derfilm.de/downloads/fs_downloads.html

[Glombi]

Stimmt, das ist kultig. Ich hoffe, der Film läuft noch mal.

Ich habe da so ein Gefühl - ich kann es mit Zahlen oder der Realität nicht belegen, aber es muss einfach toll sein 
Und wenn selbst der Roland dafür ist, dann kann es nicht schlecht sein 

Leid tun mir dann immer die Leute, die mit in die Sch... geritten werden. Dann doch lieber den Rat der Elterngeneration beherzigen: Am besten wirst Du Beamter...

Andreas