München ist ein Zentrum der Latinistik. An der Uni in München ist vor knapp 150 Jahren der Tesaurus Linguae Latinae entstanden: das weltweit grösste lateinische Wörterbuch. Das gibt keine Uebersetzungen, sondern das Wörterbuch ist Latein - Latein. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts haben sie angefangen, die erweiterte klassische, lateinische Literatur (Zeitraum von 300 vor bis 300 nach Christus) auf Karteikarten (A5-Grösse) zu erfassen. Man staunt nur so, wenn man erfährt, dass die Ersterfassung trotz der damals sehr beschränkten technischen Mitteln innerhalb von rund 10 Jahren abgeschlossen werden konnte. Seither wird dieser riesige Zettelkasten "nur noch" gepflegt (Neuentdeckungen eingearbeitet, Sekundärliteratur ausgewertet). Daneben hat dann natürlich die Publikation des Werkes selber, das in keinem altphilologischen Seminar fehlen kann (es ist schlichtweg DAS Referenzwerk, wenn es um lateinische Wortforschung geht) begonnen. Als ich selber vor etwas mehr als 20 Jahren eine einschlägige wissenschaftliche Arbeit durchführte, war "erst" zweidrittel des Werkes publiziert. Ich weiss aktuell nicht, ob die Publikation unterdessen abgeschlossen ist, seinerzeit hatte man es ungefähr aufs Jahr 2000 projiziert gehabt. Jedenfalls musste ich, um meine Arbeit fertig machen zu können, eine Woche lang beim entsprechenden Institut in München in den Karteikarten selber arbeiten. Damals war der Umfang der Kartothek gerade mal 10 Millionen (10 000 000) Karteikarten, schön säuberlich in schuhkartongrossen Schachteln eingeordnet. Der Besuch dort war eines der beeindruckendsten Erlebnisse meines Lebens.
