Autor Thema: Öffentliche Schändung eines openSource Projekts  (Gelesen 4507 mal)

Marinero Atlántico

  • Gast
Java Fight Club. Ein Drama in 4 Akten

(nicht ganz ernst gemeint oder auch todernst)

Was ich an meinen Thought-Leaders wirklich liebe ist diese offene und für das Publikum (z.B. ich) sehr lehrreiche und gleichzeitig unterhaltsame Art Konflikte auszutragen. Meine ich jetzt wirklich mit deutlich mehr Respekt als Ironie. 

Die Beteiligten:
- Klaus Wüstefeld als Klaus Kinski
-   Carlos Villela als der nicht unsympathische jugendliche Anti Held (der aber aus den Vorgängen möglicherweise am meisten profitiert hat, was immer das heisst).
-   Mike Spille als der aufklärende Journalist
-   Rickard Oberg, Cedric Beust und Christian Bauer als die Staatsanwälte
-   Konstantin Ignatyev als Verteidiger
-   Cameron Purdy als der weise Mann, der zwischendurch die besten Witze reisst

Hintergrund:
Klaus Wüstefeld, ein Brasilianer mit einem deutschen Namen, hat seit Jahren ein Java openSource Projekt namens Prevayler am Laufen, wo es darum geht
-   Datenbanken überhaupt abzuschaffen
-   Alle Daten als Objekte im Arbeitsspeicher zu halten
-   Die Objekte zwischendurch aus dem Arbeitsspeicher auf Festplatte zu serialisieren und in den Zwischenphasen wohl so was wie ein Transaktionslog zu halten.

Die Motivation für diese Architektur besteht:
-   in dem hohen Ressourcenverbrauch, den DB-Zugriffe zur Folge haben (populistisch ausgedrückt: viel bessere Performance)
-   Komplexität von DBs sparen

Die brasilianischen Prevayler Leute schlagen auf ihrem Wiki einen ziemlich um nicht zu sagen wirklich aggressiven Ton an. Nach Art: Wir sind 800 mal schneller als Oracle und einfacher und Oracle oder andere DBs sind was für Looser, die noch nicht kapiert haben, dass man Datenbanken mit den heutigen Arbeitsspeichergrößen nicht mehr braucht.
 
Der sehr junge (22, 23 oder so), aber fitte Villela entwickelte an Prevayler mit, schrieb Dokumentation, hat einen sympathischen Blog, nahm Kontakt mit Leuten von ThoughtWorks / London auf und wurde dort Mitarbeiter. Das ist nicht irgendeine Consulting, sondern da arbeiten eine Menge wirklich schlauer Leute und ich glaub die haben einen höheren Tagessatz als IBM Global Services.

Klaus Wüstefeld wurde dann von TheServerSide.com (ein Enterprise Java Computing Forum mit einem wirklich oft sehr hohem Argumentationsniveau).zu einem Interview geladen.

Mike Spille unterzog dann auf seinem technisch hochwertigen, vielgelesenen Blog das ganze Projekt „Prevayler“ einer vernichtenden aber/und sehr tiefgehenden Kritik.
http://www.pyrasun.com/mike/mt/archives/2004/12/25/15.02.00/index.html
http://www.pyrasun.com/mike/mt/archives/2004/12/23/22.37.00/index.html

Prevayler war sehr bekannt. Ich hab mir das z.B. auch mal angeschaut, fand es aber fragwürdig aus Kosten-Nutzen Gesichtspunkten
Code
möglicher_Nutzen  / ( erwartete_Lernkurve + irgendwie_ist_das_komisch)
Viele Leute fanden wohl die Idee interessant, haben aber aus ähnlichen Erwägungen mit den Achseln gezuckt. Spille hat sich die Mühe gemacht, es zu analysieren.
So eine tiefe Analyse für DWF, LEI oder Domino Rich Client Platform (oder hiess das Workplace..., Workspace?) würde mein Glauben in diese Plattformen stärken nicht schwächen.

Als Reaktion auf die Kritik von Spille brach dann auf theserverside.com die Hölle los und einige Leute mit anerkannten Meriten (Rickard Öberg war mal so etwas wie Jboss Chef-Entwickler, Christian Bauer ist Hibernate Mitentwickler und Autor meines Lieblingsbuches „Hibernate in Action“. Cameron Purdy ist Mit-Entwickler einer bekannten Shared Memory Clustering Lösung für J2EE, etc.). Das sind also definitiv keine ungewaschenen Massen.
http://www.theserverside.com/news/thread.tss?thread_id=30735

Am Ende sagte sich dann Carlos Villela von Wüstefeld/Prevayler los und entschuldigte sich für seine unsachlichen RDBMS-Angriffe.
http://jroller.com/page/cv/20041224

Ich find die Typen nehmen ihren Job ernst und es ist viel besser so als eine Diskussion über Maintainability Issues in Notes Anwendungen auf das Thema „hartkodierte Servernamen“ zu beschränken wie nun auf Ed Brill. 

Axel

Es liest eh keiner mehr. Für ibero-freaks hier noch der Link vom wichtigsten brasilianischen Forum (versteh ich auch mit großer Anstrengung und großen Lücken): http://www.javafree.com.br/forum/viewtopic.php?t=14290


Offline Don Pasquale

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Re: Öffentliche Schändung eines openSource Projekts
« Antwort #1 am: 06.01.05 - 13:33:43 »
Deine - interessante - Geschichte habe ich noch nicht ganz verstanden, deswegen 2 Nachfragen :

Wieso hat sich Viellela entschuldigt, Spille hat doch Kritik geübt ?
Wie steht Wüstefeld am Ende aus der Geschichte da ?
Was ist die Moral von der Geschichte ?

Ciao
Don Pasquale

Marinero Atlántico

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Re: Öffentliche Schändung eines openSource Projekts
« Antwort #2 am: 06.01.05 - 16:42:26 »
Zitat
block von Carlos Villela:
In fact, I want to apologize for having contributed to the enormous waste of time that were all the discussions of whether Prevayler was or not scaleable, suitable, better, faster, lighter, whatever. Mike Spille is damn right in his technical criticism, Prevayler is nothing but a clever log'n'snapshot mechanism you could use in some limited number of cases, and even then, there are some nasty pitfalls we tried to fix without much success, and ones we just couldn't do anything about, so you still need to be aware of them. And that's it. Prevayler is not a database replacement, and it's not spiritual salvation or eternal corruption, either. It's just a clean and tested implementation of a log'n'snapshot mechanism that should be used when it's convenient and safe to. Somehow I failed, when documenting it, to make it very clear what those situations are, and this has caused much, much trouble.

Er entschuldigt sich dafür, dass er im prevayler wiki (Projektübersicht und Präsentation) nicht deutlich darauf hingewiesen hat, dass Prevayler nur in sehr, sehr begrenzten Anwendungsbereichen einen Ersatz für RDBMS darstellt.
Statt solcher Information hat man sich einem abgedrehten, Matrix-verseuchten Holzhammer Populismus bedient, der leider sehr oft in der "innovativen" und "kreativen" IT auftritt.
s. http://www.prevayler.org/wiki.jsp
Btw. kannte ich auch mal eine Zeit, wo bestimmte Leute im Umfeld eines anderen Produktes, dass mit N oder D anfängt, RDBMS als altmodisch abgetan haben. Z.T. mit sehr haarsträubenden Argumentationen.
Prevaylers Marketing war: Wir sind einfacher, schneller und "mehr-OO" als RDBMS und Leute, die das anders sehen, leben in der Matrix "des alten Denkens".

K. Wüstefeld ist z.Zt. nicht besonders beliebt. Aus meiner Sicht, weil er für einen bestimmten, ziemlich verbreiteten Marketingseiber dieser Branche steht. Ich hab das sowieso nur gepostet, weil ich das irgendwie exemplarisch fand. Das ist auch die Moral von der Geschichte. Natürlich hat es der Aufmerksamkeit des Projekts geholfen, zu sagen: RDBMS ist Vergangenheit und wir sind die Zukunft. Hätte man gesagt, wir 
Zitat
clever log'n'snapshot mechanism you could use in some limited number of cases, and even then, there are some nasty pitfalls we tried to fix without much success,
Letztlich sind sie aber aufgrund dieser unredlichen Information gescheitert. 
 
Die Protagonisten eines langfristig erfolgreicheren Projektes wie Hibernate treten ganz anders auf. Viel bescheidener. Und die sagen auch klar und deutlich, dass man sich mit RDBMS schon auskennen sollte für ihr RDBMS-verbundenes Projekt und dass es nicht einfach ist.

Axel

Offline Don Pasquale

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Re: Öffentliche Schändung eines openSource Projekts
« Antwort #3 am: 07.01.05 - 11:33:47 »
Danke, jetzt sehe ich klarer.

Solche Geschichten lese ich gerne, ich hoffe Du bleibst
dabei, uns dann und wann mit solchen Geschichten
die Zeit zu vertreiben. So ein Blick über den Tellerrand
tut sicher gut.

Ciao
Don Pasquale

Marinero Atlántico

  • Gast
Re: Öffentliche Schändung eines openSource Projekts
« Antwort #4 am: 07.01.05 - 12:54:27 »
Hani Suleiman behauptet nun das Interview auf TheServerSide.com wäre ein fake-Interview und er hätte das richtige geführt:  ;D
http://www.jroller.com/page/fate/20041230

 

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